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King of the World

King of the World

Titel: King of the World
Autoren: David Remnick
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sein könnte. Der betreffende Polizist sei, so Beckwith, auch wegen einiger Einbrüche in der Gegend verurteilt worden. Nach dieser Theorie soll der Beamte Liston im Auftrag Resniks getötet haben, der wütend auf Liston war, weil der sich in einem seiner letzten Kämpfe nicht habe schlagen lassen.
    »Wir haben alles Menschenmögliche versucht, das zu beweisen«, sagte Beckwith. »Wir haben diesen ehemaligen Beamten wegen der Einbrüche befragt und versucht, diesen Teil der Geschichte zu untermauern, aber wir konnten nicht den Hauch eines Beweises dafür finden. Ich habe selber Zweifel.«
    Harold Conrad unterhielt sich in den Jahren nach Listons Tod mit verschiedenen Mobstern und Cops in Las Vegas, und auch er hörte die Theorie, ein krimineller Cop habe ihn auf Bestellung ermordet. Doch Conrad konnte nur bestätigen, daß Liston das Ende gefunden hatte, das alle immer erwartet hatten, das Ende, das Sonny Liston selbst immer erwartet hatte. »Ich habe mit einem Bekannten im Büro des Sheriffs von Las Vegas gesprochen, und das hat er gesagt: ›Ein schlimmer Nigger. Er hat gekriegt, was er verdient hat‹«, sagte Conrad. »Ich glaub das nicht. Er hatte auch seine gutenSeiten, aber ich glaube, er ist schon am Tag seiner Geburt gestorben.«
     
    Liston bekam ein echtes Las Vegas-Begräbnis. Geraldine sagte, Sonny habe immer gesagt, wenn »ihm etwas zustoße«, sei es sein letzter Wunsch, noch ein letztes Mal über den Strip zu gehen. Das Begräbnis begann mit einem Gottesdienst für vierhundert Menschen in der Palm Mortuary. Die Bänke waren gefüllt mit dem Vegas-Adel und Beinahe-Adel: Nipsy Russell, Ed Sullivan, Ella Fitzgerald, Jerry Vale, Jack E. Leonard, Doris Day. Joe Louis verspätete sich ein wenig, weil er gerade am Craps-Tisch war. »Sonny hätte das verstanden«, sagte er, bevor er die Würfel hinlegte. Father Murphy flog aus Denver ein und hielt die Trauerrede. »Wir sollten von den Toten nur gut sprechen«, sagte er. »Sonny hatte Eigenschaften, von denen die meisten nichts wußten.« Ein Chor sang »Just a Closer Walk with Thee«. Die Ink Spots sangen »Sunny«.
    Während sich der Leichenzug den Strip entlang bewegte, kamen Spieler aus den Kasinos, in der Sonne blinzelnd, um den Schwergewichtschampion in seinem Stahlsarg das letzte Geleit zu geben. »Die Leute kamen aus den Hotels, um ihn vorbeifahren zu sehen«, sagte Father Murphy. »Sie unterbrachen alles. Sein ganzes Leben lang hatten sie ihn ausgenutzt. Auf seinem Weg zum Friedhof nutzten sie ihn noch immer aus. Er war eben eine Las Vegas-Show von vielen. Gott helfe uns.«
    Liston wurde in den Paradise Memorial Gardens bestattet, einer grünen Oase in der Wüste an der Patrick Lane, Ecke Eastern Avenue. Das Grab liegt in der ersten Reihe des »Peace«-Teils. Auf einer dreißig Quadratzentimeter großen Plakette steht: »Charles ›Sonny‹ Liston, 1932–1970. A Man«.Sechsundzwanzig Jahre später ging ein anderer ehemaliger Schwergewichtsmeister und ehemaliger Sträfling, Mike Tyson, in die Paradise Memorial Gardens, um einen Blumenstrauß auf Listons Grab zu legen. Es waren die einzigen Blumen dort, und sie verdorrten rasch in der Frühsommersonne. Tyson kämpfte einige Tage später gegen Evander Holyfield um den Titel. Wenn er sich nicht gerade bis spät in die Nacht Gangsterfilme ansah, legte Tyson hin und wieder eine Kassette ein und sah sich Liston an, wie er zu »Night Train« trainierte. Liston bei der Arbeit zuzusehen, sagte Tyson, sei »orgasmisch«.
    »Sonny Liston, mit dem identifiziere ich mich am meisten«, sagte Tyson an einem Nachmittag im Haus Don Kings am Rande von Las Vegas. »Das klingt vielleicht morbid und hart, aber ich identifiziere mich schon ziemlich mit seinem Leben. Er wollte, daß die Leute ihn respektieren oder lieben, aber das passierte nie. Man kann die Leute nicht dazu bringen, daß sie einen respektieren und lieben, indem man es herbeisehnt. Man muß es von ihnen
verlangen
.
    Vielleicht haben sie ihn wegen seiner Herkunft nicht gemocht, aber diejenigen, die ihn näher kennengelernt haben, haben eine völlig andere Meinung von ihm. Er hatte eine Frau. Die hat ihn bestimmt nicht für ein Stück Dreck gehalten … Jeder respektierte Sonny Listons Fähigkeiten. Entscheidend ist aber, daß man ihn als Mann respektiert. Auch meine Fähigkeiten kann niemand voraussehen. Aber mich wird man respektieren. Das verlange ich.«
    Die Ähnlichkeiten zwischen Tyson und Liston waren unheimlich: beide waren arme Kinder, wuchsen in
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