Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
King of the World

King of the World

Titel: King of the World
Autoren: David Remnick
Vom Netzwerk:
nächsten – und letzten –Kampf trat Liston in Jersey City gegen Chuck Wepner an. Wepner, der »Bayonne Bleeder«, blutete nach dieser Prügelei aus tiefen Wunden, die mit siebenundfünfzig Stichen genäht werden mußten. Die Börse betrug 13 000 Dollar. »Das Dumme war, daß Liston 10 000 Dollar auf einen anderen Kampf – Jerry Quarry gegen Mac Foster – gesetzt und verloren hatte. Zudem schuldete er seinen Betreuern noch 3000«, sagte sein Freund Lem Banker, der mit Sonny zurück nach Hause flog. »Er gab ihnen das Geld in braunen Papiertüten und ging mit Null nach Las Vegas zurück. Genau Null.«
    Liston fuhr oft an den Lake Mead, wo er allein in einem kleinen Motorboot saß, Bier trank und die Angel ins Wasser hielt. Die schönsten Augenblicke seiner letzten Tage waren vielleicht, wenn er frühmorgens mit seinem Freund Davey Pearl, einem Ringrichter, der in Jersey City in seiner Ecke gewesen war, lange Läufe unternahm. »Wir waren draußen, rannten im Morgenlicht, auf irgendeinem verlassenen Golfplatz lief die Sprinkleranlage, und ich glaube, damals jedenfalls war Sonny gut in Schuß«, sagte Pearl. »Trotzdem war es bei Sonny so, egal, wie nahe man ihm kam – und wir standen einander sehr nahe –, man hatte immer das Gefühl, daß da was Trauriges war, über das er nicht sprechen wollte.« Liston war ein Mann mit tiefen Beschränkungen, derer er sich auch sehr bewußt war. Als sein alter Freund Father Edward Murphy ihn fragte, warum er sich nicht für die Bürgerrechtsbewegung engagiere, ließ Liston seinen alten Sarkasmus beiseite (»Weil mein Arsch nicht hundesicher ist«) und sagte treffender: »Wenn ich mich engagieren würde, würde ich plötzlich ganz vorn in einem Marsch laufen und müßte was sagen, und dann wüßte ich nicht, was ich sagen soll.« Besonders jetzt, ohne den Glanz des Meisterschaftsgürtels, der alle möglichen Blutegel anzog, war Liston ein einsamerMann. »Oft, wenn ich mit Sonny Liston zusammen war, sagte er: ›Du magst mich doch, oder?‹, wie ein kleiner Junge«, sagte sein alter Sparringspartner Ray Schoeninger einmal. »Ich sag: ›Klar, ich mag dich.‹ Darauf er: ›Ich mag dich nämlich auch.‹ Ich glaube, wegen seiner schrecklichen Kindheit suchte er einen, der ihn nicht kritisierte und der ihn nicht mit einem Knüppel oder Stock schlug.«
    Noch lebenden Freunden zufolge war Liston immer knapp bei Kasse und arbeitete nebenher in seinem alten Job als Geldeintreiber – nun für Kredithaie und möglicherweise auch Drogenhändler. Banker, zu der Zeit einer der erfolgreichsten Spieler der Stadt und ein enger Freund Listons, sagte, er habe in den letzten Wochen des Jahres 1970 einen Anruf vom Sheriff von Las Vegas bekommen, der ihm sagte, Sonny lasse sich mit den »falschen Leuten« ein, und er solle sich nur vorsehen, wenn er nicht in eine Drogenrazzia, die kurz bevorstehe, geraten wolle.
    Ende Dezember besuchte Geraldine ihre Mutter in St. Louis. Als sie am 5. Januar 1971 nach Las Vegas zurückkam, fand sie eine Leiche. Sonny lag in Unterwäsche tot auf einer Bank am Fußende ihres Bettes. Sein Körper war aufgedunsen, und an der Nase war geronnenes Blut. Geraldine hatte mit Sonny seit ihrer Abreise nicht mehr gesprochen. Vor der Tür stapelten sich die Zeitungen. Die Polizei schätzte, daß Liston schon ungefähr sechs Tage tot war. Einem Polizeisprecher in Las Vegas zufolge hatte Geraldine ihren Anwalt angerufen, aber möglicherweise zwei Stunden gewartet, bis sie die Polizei verständigt hatte. Die Polizei entdeckte in einem Schränkchen kleine Mengen Marihuana, eine Spritze und einen »Ballon« Heroin, genug für ein paar Schüsse. Neben dem Bett fanden sie auch einen .38er Revolver und ein Glas Wodka auf einem Tisch. Die Autopsie ergab Spuren von Morphium und Kodein eines Typus, der bei der Aufspaltungvon Heroin im Körper entsteht, und dennoch gab der Bericht als Todesursache Blutstau in der Lunge und Herzversagen an.
    Die verbreitetste Theorie von Listons Tod, sie wird von Freunden und der Polizei vertreten, ist, daß er ermordet wurde, daß er von jemandem, den er verärgert hatte, der ihn beseitigen wollte, einen »goldenen Schuß« bekam, eine tödliche Dosis Heroin. Sergeant Gary Beckwith, ein Polizeibeamter, der als verdeckter Ermittler im Drogenmilieu war, sagte, die Polizei sei mit dem Untersuchungsbericht nie zufrieden gewesen und habe die Möglichkeit untersucht, daß ein ehemaliger Polizist aus Las Vegas in einen Anschlag auf Liston verwickelt gewesen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher