Kinderseelen Verstehen

und in welcher Form sollte es zu einer Veränderung kommen?
Wer ist von einer Veränderung betroffen und wie sollte das Alternativverhalten der beteiligten Personen genau aussehen?
Sollte tatsächlich der Veränderungsschwerpunkt auf das Kind selbst gelegt werden (= direkter Versuch einer Verhaltensänderung beim Kind) oder haben sich aus der sorgsamen Betrachtung des gesamten Umstandes deutliche Hinweise auf Veränderungsnotwendigkeiten im direkten Umfeld des Kindes, beispielsweise im Erziehungs verhalten der Eltern und der ErzieherInnen und LehrerInnen, oder in der Veränderung von Regeln bzw. Abläufen im Alltag ergeben?
Welche genauen Planungs-, Vorbereitungs- und Handlungsschritte sind als nächste Vorhaben konkret angedacht?
Wer macht was, wo, ab wann, wie, wie lange, mit wem?
Wie lange sollen die konkret gefassten Handlungsschritte, die sich als Konsequenzen aus den Bedeutungswerten ergeben haben, durchgeführt werden?
    Vielfältige Beispiele aus der Praxis zeigen, dass sich gerade durch eine genaue Bestandsaufnahme und eine sorgsam durchgeführte Zielbestimmung einerseits die Wahrnehmung der Erwachsenen für das Problem erweitert und andererseits der isolierte, einseitige Blick auf das Kind verloren geht. Das ist auch notwendig, um eine integrative Perspektiveentwickeln zu können. Es muss den Erwachsenen gelingen, »im verhaltensauffälligen (Klein)Kind (lediglich) den ›Symptomträger‹ oder ›identifizierten Patienten‹ zu sehen. Durch diese Begriffe soll ausgedrückt werden, dass nicht das Kind ›das Problem‹ oder ›der Klient‹ ist. Vielmehr sind seine Verhaltensauffälligkeiten größtenteils das Symptom von Problem verursachenden und aufrechterhaltenden Strukturen und Prozessen in Familie, Netzwerk, Kindertageseinrichtung, Schule und Gesellschaft (...) Verhaltensauffälligkeiten von (Klein)Kindern lassen sich (daher) in der Regel als angemessene und sinnvolle Reaktionen auf längerfristige oder häufige ›Problemsituationen‹ verstehen. Sie sind zugleich ein ›Hilferuf‹ – durch sie signalisieren die Kinder, dass Teilsysteme ihrer Lebenswelt gestört sind, dass dort auch andere Personen leiden und in ihrer Weiterentwicklung behindert werden.« ( Textor 2004, S. 33 f.).

    Das, was ein Kind nicht mit Worten erklären kann, führt zu einer »unwillkürlichen Zuflucht zu auffälligem Verhalten, um (Erwachsene) auf seine Not aufmerksam zu machen und um eine Veränderung herbeizuführen. Es ruft sozusagen um Hilfe. Es wird selbst aktiv, es weist indirekt auf eine notwendige Veränderung hin«(Finger und Simon-Wundt2003, S. 25). Besondere Verhaltensweisen der Kinder müssen daher stets als ein Signal verstanden werden. Diese sorgen für Aufmerksamkeit und Gesprächsanlässe. Sie sind der Versuch, das krank machende System in Unruhe zu versetzen. Und damit haben sie für das Kind eine »Überlebensfunktion«, die auch als »Problemlöseverhalten« angesehen werden kann. Diese zu erkennen und richtig zu deuten, ist eine alltägliche Herausforderung für alle Erwachsenen und zugleich eine unumgängliche Notwendigkeit, um Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten und zu unterstützen.

Abschlussgedanken
    Wenn wir bei einem Kind etwas ändern wollen, sollten wir zunächst prüfen, ob es sich nicht um etwas handelt, das wir an uns selbst ändern müssen.
    Carl Gustav Jung
    Sie sind nun fast am Ende des Buches angekommen. Am Schluss folgen noch Literaturhinweise für Leserinnen und Leser, die vielleicht neugierig geworden sind, etwas mehr über die Ausdrucksformen von Kindern und ihre besonderen Erzählwerte zu erfahren.
    Wenn es mir als Autor durch meine reichhaltigen Praxiserfahrungen, meine Forschungserkenntnisse und meine beispielbegleitenden Informationen gelungen ist, Ihr Interesse für eines der aus meiner Sicht spannendsten Themen in der pädagogischen Psychologie geweckt zu haben und Sie sich vielleicht zusätzlich zu den Inhalten sehr stark hingezogen fühlten, dann habe ich meinen Anspruch eingelöst. Wenn Sie zudem eine Erkenntnis gewonnen haben und daraus eine neue Handlungsstrategie ableiten konnten, um Ihrem Kind eine neue Entfaltungsmöglichkeit seiner Persönlichkeit zu bieten, dann wurde das Ziel dieses Buches in höchstem Maße erreicht.
    Auf jeden Fall wäre es wundervoll, wenn Sie immer wieder ins Staunen kommen konnten – über
die Klugheit unserer Seele und die damit verbundenen Überlebensmechanismen bzw. Gestaltungsmöglichkeiten, die auch schon (ganz jungen) Kindern zur