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Kinder der Dunkelheit

Kinder der Dunkelheit

Titel: Kinder der Dunkelheit
Autoren: Gabriele Ketterl
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durchzogen sein schönes dunkles Gesicht. Wenn er den Vater so ansah, schämte sich Mohammed fast, denn so sehr er auch glaubte, dass sein Vater übertrieb, so sehr liebte er ihn und es tat weh, ihn so zu sehen. Er überlegte verzweifelt, was er denn in einer solchen Situation Sinnvolles sagen könnte, um seinem Vater zu zeigen, dass er sich sehr wohl Gedanken machte. Nur leider fiel ihm überhaupt nichts ein, was gut daran liegen konnte, dass er sich tatsächlich noch nie im Leben über etwas wirklich Sorgen gemacht hatte. Also zog Mohammed es vor, zu schweigen, denn Yussuf al Hassarin noch mehr zu verärgern, darauf konnte er getrost verzichten.
    „Du verkennst den Ernst der Lage“, fuhr dieser fort. „Wir alle sind hier nicht mehr sicher. Meine Freunde und ich beobachten die Entwicklung seit mehreren Jahren mit wachsender Sorge. Du sprichst von ,unseren Leuten‘ und ,meiner Armee‘ – Junge, wach auf! Die Hälfte ,unserer Leute‘ sind Christen. Sie würden uns ohne mit der Wimper zu zucken die Haut abziehen, wenn ihr Bischof sie dazu aufruft. Hast du denn gar nichts mitbekommen? Hast du denn nicht bemerkt, dass immer wieder jemand plötzlich verschwindet? Dass Menschen willkürlich der Ketzerei angeklagt werden? Wir haben ihrem Gott nichts getan und haben das auch nicht vor, nur leider interessiert sie das nicht. Mohammed, irgendwann erreicht die große Hasswelle ihren Höhepunkt. Der Hass der Armen, der Hass derer, die es zu nichts gebracht haben. Welch Wunder! Sie sollen ja beten und arbeiten und ihre Kirche erhalten, auf dass es ihnen im Jenseits besser ergehe. Glaub mir, mein Sohn, der Tag ist nicht fern, an dem sie uns hier mit Feuer und Schwert vertreiben werden!“
    Mohammed hatte dieser zornigen Ansprache seines Vaters u ngläubig gelauscht und wollte ihm gerade antworten, als die beiden Männer auf die charmanteste Weise unterbrochen wurden, die man sich nur vorstellen kann.
    Durch die offenen Türen des Balkons wirbelte ein laut lache ndes kleines Mädchen. Das Kind warf sich mit einem Aufschrei in Yussufs Arme. „Papa, endlich bist du wieder da! Du hast mir so gefehlt. Du hast versprochen, mich nicht zu lange allein zu lassen!“
    Dank seiner schnellen Reaktionsfähigkeit fing Yussuf seinen Wi rbelwind im Fluge auf. Kleine Staubwolken stiegen von seiner Kleidung auf, so heftig hatte das Kind sich in seine Arme geworfen. „Asma! Vorsicht, du wirfst mich alten Mann ja um! Das darfst du doch nicht tun!“ Yussufs strahlende Augen angesichts seiner Jüngsten, straften seine Worte Lügen. Asma war sein Sonnenschein, seine Prinzessin, sein Augenstern. Die Kleine war mit ihren schwarzen langen Locken, dem dunklen Gesichtchen und den dunkelbraunen Mandelaugen aber auch eine Augenweide! Ihre Arme umschlangen den Hals des Vaters so fest, dass dieser sie lächelnd etwas löste. „Ein klein wenig atmen muss sogar ich, meine Prinzessin.“
    Das Kind warf schmollend die Locken zurück, um dann doch sogleich wieder das Gesichtchen am Hals des Vaters zu vergraben. Gerade noch rechtzeitig fiel ihr ein, dass sie ja eine Aufgabe hatte. Sie wandte sich an Vater und Bruder und verkündete mit ernster Miene: „Mama lässt euch sagen, wenn ihr nicht gleich zu uns hinunter zum Essen kommt, dann serviert sie den Braten den Hunden, oh ja, das tut sie!“
    Endlich gelang Yussuf das erste laute und unbeschwerte L achen an diesem Tag. „Das wollen wir unter keinen Umständen riskieren. Wir kommen sofort. Los, lauf schon vor!“
    Er setzte seine Tochter auf dem Boden ab, und diese wirbelte in gewohnter Manier zurück ins Haus. An Mohammed gewandt, meinte Yussuf nur: „Willst du das Leben dieses unschuldigen Kindes gefährden, nur weil du an alten Gewohnheiten und an einem Leben in Luxus festzuhalten gedenkst? Darüber solltest du einmal nachdenken, mein Sohn.“
    Er schien keine Antwort zu erwarten, sondern legte seinem Sohn einen Arm um die Schultern und die beiden Männer beeilten sich, dem Ruf der Hausherrin Folge zu leisten.

2.
     
     
    Das Abendessen verlief nicht so unbeschwert und fröhlich, wie man es sonst in der Familie gewohnt war. Fathwa schien gewusst zu haben, was Yussuf an der Küste vorhatte, denn als er erzählte, dass er ein Schiff gefunden habe, das die ganze Familie samt der Dienerschaft nach Marokko bringen würde, nickte sie nur. „Das ist gut. Du weißt, wie schwer es mir fällt, alles hier zurückzulassen, doch das Leben meiner Familie ist durch nichts aufzuwiegen.“ Sie legte ihre Hand
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