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Kinder der Dunkelheit

Kinder der Dunkelheit

Titel: Kinder der Dunkelheit
Autoren: Gabriele Ketterl
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möglich unsere Abreise bewerkstelligen. Also, bitte keine Andeutungen – zu niemandem! Auch nicht zu Donna Sonja und – dies bitte ich dich besonders zu beherzigen – nicht zu Herzogin Ana.“
    Mohammed zuckte zusammen. Woher konnte sein Vater wi ssen, dass auch Ana anwesend sein würde? Allerdings hatte er sich schon vor geraumer Zeit abgewöhnt, zu hinterfragen, woher sein Vater Dinge wusste, die er eigentlich nicht wissen konnte. „Ich werde schweigen wie ein Grab, Vater. Das verspreche ich dir.“
    Gerade, als die Familie sich von ihren Plätzen erhoben hatte und jeder seiner Wege gehen wollte, klopfte es leise, und ein leichtes Räuspern kündigte Fathi, Yussufs Leibdiener, an. Fathi galt als Schatten seines Herrn – wo immer Yussuf war, befand auch er sich in der Nähe. Seit über dreißig Jahren schon war er an seiner Seite.
    Yussuf betrachtete Fathi mehr als Freund denn als Diener, d aher reagierte er zuerst auch erfreut, als er den großen, dunklen Mann in dem gewohnt schwarzen Gewand erblickte. „Fathi, komm doch herein! Was führt dich her? Ich sagte doch, du sollst dich von der Reise erholen.“
    „Das habe ich schon, Herr. Ich habe keine guten Nachrichten. Als ich sofort nach unserer Rückkehr die Anweisung zum Packen gab, tat ich dies auch in den Stallungen. Als ich soeben nachsah, wie weit sie seien, entdeckte ich, dass Juan und Pedro samt all ihrer wenigen Habseligkeiten verschwunden sind. Soll ich sie suchen, Herr?“
    Yussuf schüttelte traurig den Kopf. „Nein, Fathi, die Ratten verlassen das sinkende Schiff. Damit musste man rechnen.“
    Fathi wiegte bedächtig den Kopf hin und her. „Wenn die Ratten das Schiff nur verlassen, dann wäre das nicht so schlimm. Ich traue den beiden aber nicht. Sie haben immer gut verdient und hatten hier ein gutes Leben. Ihren Familien ging es prächtig. Erst, seit die Unruhen immer heftiger, die Rufe nach einem christl ichen Andalusien immer lauter werden, haben sie sich verändert. Ich bin misstrauisch. Hier stimmt etwas nicht.“
    Yussuf winkte ab. „Lass es gut sein, Fathi. Sammle die Getre uen und dann werden wir noch etwas rascher handeln. Je schneller, desto besser. Lieber warten wir einen Tag am Hafen.“
    Fathi nickte. „Sehr wohl, Herr. Ich werde für heute Nacht Wachen aufstellen. Sonst habe ich keine ruhige Minute und ich werde nur unsere Männer nehmen. Den Christen traue ich nicht mehr.“
    „Als ob du das jemals getan hättest!“
    Fathi überhörte den letzten Satz seines Herrn geflissentlich und war verschwunden, ehe jemand noch etwas sagen konnte.
    Mohammed kam diese Stimmung so gar nicht entgegen und daher beeilte er sich, nun auch das Weite zu suchen. Die Erei gnisse der letzten Stunden waren nicht nach seinem Sinne und standen seinen Plänen enorm im Weg. Er entschuldigte sich bei seiner Familie und eilte in seine Räume, um sich umzukleiden. Wenn er ehrlich war, dachte er keine Sekunde daran, sich den Abend bei Donna Sonja entgehen zu lassen. Er wusste, dass die Damen der Gesellschaft ihn gern bei sich hatten. Schönheit öffnete viele Tore – auch solche, die ansonsten verschlossen geblieben wären.
    Er bürstete das lange, dichte Haar und band es mit einem Se idenband zu einem Zopf. Sein leichtes Hemd tauschte er gegen eine dunkelblaue, mit Silberfäden durchwirkte Tunika und legte dann die breiten silbernen Armreifen an, die den Damen immer Verzückungsschreie entlockten. Er war durchaus zufrieden mit seinem Äußeren. Warum sollte er sein Aussehen nicht für seine Zwecke nutzen? Was Allah ihm gegeben hatte, durfte er ja wohl nicht sinnlos vergeuden. Eine Freundin seiner Mutter hatte einmal zu ihm gesagt, sein Gesicht sei das Schönste, was sie jemals gesehen hätte. Abgesehen davon, dass er – damals noch ein halbes Kind – dunkelrot angelaufen war vor Scham, war ihm dieser Satz aber auch nie wieder aus dem Kopf gegangen. Mit der Zeit hatte er gelernt, dass Schönheit in dieser oberflächlichen Gesellschaft unglaublich wichtig war. Lediglich Ana hatte einmal sehr heftig erklärt, dass einzig Schönheit ohne Verstand und ohne Herz eine vergeudete Gabe Gottes sei. Für diese Äußerung liebte und bewunderte er sie nur umso mehr.
    Als er das Haus verließ, kam ihm seine Mutter mit einem Arm voller Blumen entgegen. Sie versuchte, es zu verbergen, doch er sah sofort, dass sie geweint hatte. Das war etwas, das er übe rhaupt nicht ertragen konnte. Seine geliebte Mutter durfte nicht weinen, alles, nur das nicht! Vorsichtig, um die
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