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[kinder] Allein unter Superhelden

[kinder] Allein unter Superhelden

Titel: [kinder] Allein unter Superhelden
Autoren: Heiko Wolz
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mich. Aber zu spät. Die anderen Superhelden schauen mich an, als hätte ich mit meiner Aktion geschafft, was schon Tausende Superschurkenvor Dr. Schröder versucht haben: sie zu vernichten.
    Genau genommen habe ich das wahrscheinlich.
    Ups.
    Obwohl sich ja herausgestellt hat, dass ich nicht den Hauch eines Phantoms oder menschlichen Schattens habe, hocke ich möglichst unauffällig mit dem Kopf am Glas in der Ecke. Das werde ich die nächsten fünfzig bis hundert Jahre machen. Und dabei hoffen, dass mich die anderen nicht zu schlimm spüren lassen, wie sauer sie auf mich sind.
    Zumindest kann ich nirgends eine Theke mit Tomatensalat sehen. Das ist schon mal was.
    Papa kneift die Augen zusammen. Laserblick. Damit will er Dr. Schröder in Schach halten. Er zielt auf den Boden vor Dr. Schröders Füße. Zsch. Es dampft ein bisschen, aber außer zwei Pünktchen im Glas sieht man nichts. Papa versucht es noch einmal – ssch.
    Jede Taschenlampe hat mehr Power als Papas Augen. Dafür leuchtet das Kraftfeld um die Kugel auf. Papa sinkt erschöpft auf die Knie, als wäre er in Rekordzeit fünfmal zum Mond und zurück.
    »Wieso hört mir niemand zu?« Dr. Schröder. »Ich habe doch gesagt, dass der Chip Ihre Energie an die Maschine überträgt, Ray.« Triumphierend schaut er wieder zu mir herüber.
    Ich gucke weg. Das macht es auch nicht besser, weil ich so beobachten muss, wie sich Papa den Ärmel seines Anzugs hochschiebt und vollkommen verdattert den kleinen Einstich betrachtet. Seine Superkollegen umringen ihn und quatschen aufgeregt durcheinander.
    »Nein!«, sagt Mama zu Grizzly-Gerhards Vorschlag, fest an Papas Arm zu ziehen. Der fiele dann ab und das Problem wäre gelöst. Papa ist auch dagegen.
    Auf dem Spielplatz hat Paul einmal einen ollen Holzpfeiler mit der Kletterstange verwechselt und sich einen Splitter im Daumen eingezogen. Pauls Mutter meinte, er bräuchte Bluttransfusionen und zehn Impfungen, aber dann hat der Arzt im Krankenhaus Paul einen Traubenzucker-Lutscher gegeben und der hat gereicht. Den Splitter hat er in zwei Sekunden mit der Pinzette rausgeholt.
    Aber das ist natürlich etwas ganz anderes!
    Dr. Schröder hat alles von vorn bis hinten durchdacht und ich habe mit meinen bescheuerten Ideen bisher alles nur schlimmer gemacht. Ich bin also bestimmt nicht so blöd und melde mich jetzt zu Wort.
    Andererseits kommt von den Helden keiner auf die Idee, zumindest mal zu schauen, wie tief der Chip überhaupt in Papas Arm steckt.
    Ich meine, mal ehrlich: Was kann noch Schlimmeres kommen, als mit Marvin und seinen Kumpels ewig hier eingesperrt zu werden?
    Ich stehe auf und schleiche mich ran. Die anderen streiten mit der menschlichen Spinne, ob sie Papa wirklich so stark betäuben kann, dass er gerade noch lebt, aber kaum noch Energie erzeugt. Papa dreht den Arm, in dem der Chip steckt, von der Spinne weg.
    He, da glitzert etwas in der Sonne! Der Chip liegt echt nur knapp unter der Haut. Keine große Sache eigentlich.
    Ich werfe einen Blick zu Dr. Schröder. Der grinst nicht mehr, sondern beobachtet mich aufmerksam.
    Ich hebe die Hand.
    Dr. Schröders Augen werden größer als die von Paul. Er richtet die Strahlenkanone auf mich.
    »Finger weg, Leon«, sagt er drohend.
    Ich kratze mit dem Zeigefinger an Papas Wunde und ...
    »NEEEIIIN!«, schreit Dr. Schröder.
    »Autschi!«, schreit Papa.
    Dr. Schröder streckt den Arm mit der Waffe aus. Papa schaut auf den Chip in meiner Hand, springt herum und schaltet seinen Laserblick ein. Zzzsch! Der Glasboden vor Dr. Schröder wird flüssig, tropft in die Tiefe und hinterlässt ein Loch, durch das der Wind hereinpfeift.
    Von wegen nahezu unzerstörbar, was?
    Und nun?
    Weg mit dem Chip, würde ich sagen.
    Ich werfe das Ding ins Loch. Es blitzt noch einmal in der Sonne auf und fällt.

    Dr. Schröders Augen huschen hinter den dicken Brillengläsern nervös hin und her.
    »Das Problem ist«, sagt er mit zittriger Stimme, »dass die Halterung für die Kugel auch Strom braucht. Eine Menge Strom. Der fehlt jetzt und ich glaube nicht, dass die Akkus das sehr lange ...«
    Der Boden unter unseren Füßen saust nach unten. Dafür stürzt die Decke auf uns zu.
    »Gefahr, Gefahr«, höre ich rings um mich die Superhelden flüstern, als wir längst wie Kaugummis unter einer Schuhsohle am Glasdach festpappen. Marvin schreit nach seiner Mama, und wäre ich selbst nicht gerade so beschäftigt, gegen das Glas gepresst zu werden, würde ich ihnfragen, wer von uns jetzt das Baby ist.
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