Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks
Autoren: Norman Spinrad
Vom Netzwerk:
in märchenhafte Fackeln einer Armee, die gespenstisch und triumphierend aus den Nebeln emporstieg.
    Und immer, wenn die Nacht schließlich gekommen war und sich der Baldachin der Sterne voll entfaltet hatte, bis man kaum noch unterscheiden konnte, wo die Sternbilder endeten und die Lichter der Oberstadt begannen, ging ich zum anderen Ende der Veranda und blickte über die Inseln nach Rioville selbst hinaus, das wie ein Teppich aus vielfarbigen Juwelen übers Wasser gebreitet lag: ein strahlendes Spinnennetz aus beleuchteten Brücken, die Positionslichter Tausender Boote, die in der Strömung tanzten, und vom Seewind zu mir herübergetrieben die leise, weit entfernte Musik der Zauberstadt, komponiert aus Gelächter, Seufzen und unzähligen Stimmen, dem Klang von Instrumenten, Fiestas und Lustbarkeiten. In diesen Augenblicken machte mich das berauschende Aroma von Nouvelle Orlean selbst benommen; ein starkes Gebräu aus Dutzenden von Kochstilen, die von Hunderten von Restaurants gepflegt wurden, aus dem Duft von Liebenden, von Drogen, Weihrauch, Holzspänen, Ölbildern, Leder und dem überwältigenden nächtlichen Duft tropischer Blumen.
    Kann man unter diesen Umständen dem jungen Mädchen, das ich damals war, nicht verzeihen, daß sie glaubte, vom Schicksal begünstigt und vom Glück gesegnet zu sein, eine Bürgerin Xanadus und der Liebling des Schicksals?
    Und als ich aus meinem relativ unschuldigen Jungmädchendasein zu früher pubertärer Blüte erwachte, als die sozialen Gegebenheiten der Gesellschaft von Nouvelle Orlean mein Bewußtsein in Unruhe versetzten, wurde mein Gefühl für Bescheidenheit kaum durch das Wissen gefördert, daß meine Eltern alles andere als gewöhnliche Bürger der Stadt waren, sondern recht bekannte örtliche Größen, wenn auch nicht ganz die führenden Berühmtheiten des haut monde, als die ich sie meinen Schulkameraden schilderte.
    Meine Mutter, Shasta Suki Davide, wurde in Nouvelle Orlean geboren, und nachdem sie ihr Wanderjahr mit der Erforschung des Weges einer erotischen Abenteurerin verbracht hatte, hatte sie zwei Jahre an der Academie Tantrique auf Dravida studiert, wo sie zur Meisterschülerin in der tantrischen Heil- und Liebeskunst ausgebildet wurde. Ihren Eigennamen Shasta hatte sie, nachdem sie ihre Studien abgeschlossen hatte, zu Ehren von Nicole Shasta gewählt – ein zu ihrer Zeit recht umstrittener Mann, der als erster die Phänomene von Masse und Energie, die den alten metaphorischen und metaphysischen tantrischen Prinzipien zugrunde liegen, erhellt und damit die Wissenschaft begründet hatte, die meine Mutter studierte.
    Mein Vater, Leonardo Vanya Hana, wurde auf Flor del Cielo geboren und hatte nur eine relativ kurze Zeit als wanderndes Kind des Glücks verbracht, denn er war einer dieser seltenen Menschen, die fast schon von Geburt an zu wissen scheinen, was sie werden wollen – nämlich ein Erfinder und Hersteller von Geräten zur Persönlichkeitsverstärkung, von denen er einige bereits während seiner Schulzeit schuf.
    Naturellement befand er sich zum Abschluß seines Wanderjahrs auf Diana, dem für die Produktion solcher Persönlichkeitsverstärker vielleicht berühmtesten Planeten, wo er in einer der führenden Fabriken als Künstler und manchmal auch als Designer eine Anstellung fand. Seinen Eigennamen Leonardo hatte er etwas übertrieben zu Ehren von Leonardo da Vinci gewählt, einem Künstler und Erfinder des alten terrestrischen Zeitalters, dem legendären Archetypus der Verbindung von Ästhetik und Technik, dem unser Zweites Raumfahrendes Zeitalter allgemein und mein Vater im besonderen immer nacheiferten.
    Meine Eltern lernten sich auf Diana kennen, wo meine Mutter als wandernde tantrische Künstlerin und manchmal auch als Heilerin wirkte, nachdem sie bereits einige andere Planeten besucht hatte. Sie hatte bereits begonnen, immer liebevoller an ein Heim in Nouvelle Orlean zu denken, als sie eine pheromonische Anziehung für Leonardo überkam, deren Wechselseitigkeit durch die Kraft ihrer erotischen Kunst noch verstärkt wurde; und nach der Erkenntnis, daß eine Ehe zwischen tantrischer Wissenschaft und elektronischer Persönlichkeitsverstärkung für die Vertiefung und Entwicklung ihrer jeweiligen Künste ebensoviel zu bieten hatte, wie sie ihre persönliche Sphären bereichern konnte, hatte sie kaum Mühe, Leonardo zu überzeugen, daß die Chancen, der Größe seines Eigennamens entsprechend zu leben, auf Glade viel besser stünden als auf Diana. Und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher