Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks
Autoren: Norman Spinrad
Vom Netzwerk:
transzendentalen Orgasmus ungeahnter Heftigkeit. Der Kapitän des Schiffes beginnt, sich in seine ungewöhnliche Pilotin zu verlieben, vernachlässigt seine Pflichten gegenüber Besatzung und Passagieren und begeht in letzter Konsequenz sogar das Verbrechen, einen ›unkontrollierten Sprung‹ zu befehlen, einen Lichtsprung ohne Endkoordinaten, der die Pilotin tötet und sie so, einer Legende nach, auf ewig im Augenblick des Orgasmus festhält. The Void Captain’s Tale kann ohne Zweifel als Spinrads bisher bester Roman bezeichnet werden. Mit stilistischer Brillanz und überragender Ausdruckssicherheit in Form von Tagebuchaufzeichnungen des Kapitäns geschrieben, erschafft der Autor durch Verschmelzung vieler Sprachen ein kosmopolitisches Szenario ferner Zukunft, einen funkelnden Sternenfahrmythos, ein modernes Märchen des Raumfahrtzeitalters und schließlich eine faszinierend erzählte, abwechslungsreiche und unterhaltende Geschichte.
    Unter Norman Spinrads kürzeren Texten bliebe zunächst der eingangs erwähnte, mit dem Jupiter Award ausgezeichnete Kurzroman ›Riding The Torch‹ [›Flammenritt‹] zu nennen, in dem eine Flotte von Generationsraumschiffen seit Jahrhunderten durchs All streift, um einen bewohnten Planeten zu finden, da die Erde verwüstet ist. Der Plan allerdings ist erfolglos, denn man findet nur öde, unbewohnbare Welten. Diese neuere Variante des Motivs vom Generationsraumschiff besticht durch ihre meisterliche stilistische Ausführung, wie sie dem Autor später nur noch in The Void Captain’s Tale gelingen sollte.
    Auch in vielen Kurzgeschichten entpuppt sich Norman Spinrad als harter Kritiker politischer und gesellschaftlicher Mißstände in den USA, namentlich in den von Ballards ›condensed novels‹ inspirierten Geschichten ›The Conspiracy‹ [›Die Verschwörung‹] und ›The Entropic Gang Bang Caper‹ [›Das entropische Multifick-Endzeitpanorama‹] (beide 1969), die in Form von fiktiven Zeitungsnotizen und knappen Szenarios ein Bild der Vereinigten Staaten Ende der sechziger Jahre zeichnen und viel vom Zeitgeist jener Epoche in optimaler Weise vermitteln. Mehr Zugeständnisse an das Lesepublikum und das traditionelle Erzählen macht Spinrad in anderen Geschichten. Berühmt wurde ›Carcinoma Angels‹ [›Die letzte Grenze‹] (1967), die Geschichte eines Mannes, der mittels Drogen in seinen eigenen Körper reist und dort die in Form böser Rocker in den Blutbahnen umherfahrenden Krebszellen bekämpft, jedoch schließlich den Rückweg nicht mehr findet; aber ungleich besser sind zum Beispiel ›The Big Flash‹ [›Der große Blitz‹] (1969), wo eine Rockgruppe dazu mißbraucht wird, den Atomkrieg zu propagieren – Exponent dafür, daß Spinrad auch der Subkultur des Underground, der er damals angehörte, nicht kritiklos gegenüberstand und sich die Mechanismen der Vermarktung und Kommerzialisierung durchaus im klaren war; oder aber ›Sierra Maestra‹ [›Sierra Maestra‹] (1975), das gelungene Stimmungsbild einer sterbenden Welt. Sprinrads vielleicht beste Kurzgeschichte ist ›A Thing Of Beauty‹ [›Das Schöne an sich‹] (1973), in der ein japanischer Großindustrieller die Brooklyn Bridge kauft, sie aus dem degenerierten und heruntergekommenen Amerika entfernt und in Japan in geeigneter Umgebung in seinem Privatgarten neu aufbauen läßt.
    Norman Spinrad gehörte stets zu den unbequemen Autoren, seine Bücher wurden nicht für den schnellen Konsum oder zur Unterhaltung geschrieben, sondern handeln stets bestimmte Problemstellungen ab. Das Gesamtpanorama seines Werkes ist jedoch nicht ohne Höhen und Tiefen, und nicht immer gelingt es ihm, ein einheitliches Niveau zu wahren. Am besten ist er dort, wo er Salz in offene Wunden der Gesellschaft streut, in der er lebt, und ihr einen Spiegel vorhält, in den keiner gerne blickt, besonders nicht die von ihm stets voller Verachtung behandelten Politiker. In den sechziger Jahren gehörte er zur amerikanischen ›New Wave‹ und war als solcher deren einziger wahrhaft legitimer Vertreter, da er nicht, wie etwa Zelazny oder Harlan Ellison, lediglich Nachahmer des britischen Vorbilds war, sondern eigene, ›amerikanische‹ Impulse in seine Werke einfließen ließ.
    Joachim Körber
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher