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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks
Autoren: Norman Spinrad
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Reise dieselbe Art zu wählen, nachdem ich zur Zeugin dieses Übergangs ins Auf und Davon geworden war.
    Doch das Schicksal oder die kosmische Gerechtigkeit wollte es so, daß ich mich zwar nie lange in Pater Pans Gegenwart aufhielt, aber zur Stelle war, als die letzten Augenblicke kamen.
    Es war die Mittagsstunde, und ich ging, nachdem ich Kim eine neue Geschichte beigebracht hatte, am Vielfarbigen Zelt vorbei zu einem Kiosk, um mir etwas zu essen zu besorgen. Es war ein warmer, klarer Tag im Lager der Kinder des Glücks, und die Planen des Zeltes waren offen. Naiven Augen wäre es zweifellos erschienen, als betrachte die abgemagerte Gestalt auf dem Kissenthron mit zufriedenem Strahlen die wohlverdienten Früchte seiner Unternehmungen.
    Meine Augen füllten sich mit Tränen, als ich einen Augenblick stehenblieb, um ihn zu betrachten, und doch kann ich nicht glauben, daß es Trauer war, die ich fühlte. Dort saß mein Pater Pan, blickte über den Hügel zu den winzigen Gebäuden der Stadt hinunter, wo gerade im Augenblick die Kinder seines Geistes den Gewerben nachgingen, die er uns gelehrt hatte, und jenseits davon hinaus auf das kristallklare Meer und in den hellen Sonnenschein.
    Vraiment, wenn ein solcher Geist aus der Welt scheiden muß, wie sonst wenn nicht so – in einem Lager der Gypsy Joker, in dem es Lärm und Gelächter gab und das nach gekochtem Essen roch, umarmt vom ewigen Karneval, der das Lied seines Geistes gewesen war, während eine warme Seebrise die Überreste seines Haars zauste?
    Und dann, als hätte das letzte Bröckchen des Geistes, das noch in diesem Schädel ausgeharrt hatte, auf genau diesen Augenblick gewartet, im Augenblick, als die Erzählerin der Geschichte am wenigsten wußte, daß sie dieser Geschichte eine süße Wendung geben konnte, begann das letzte Geheimnis des Auf und Davon.
    Wenigstens in diesem Punkt stimmen die Weisen und die Anhänger des Laders überein: In den letzten Augenblicken des Auf und Davon geschieht ein Phänomen, das nirgends sonst vorkommt. Wenn genügend Neuronen durch die elektronische Verstärkung verbrannt sind, regt der nächste Schritt des Laders eine Art psychosomatische Kettenreaktion an. Jede verbliebene Erinnerungsspur wird im gleichen Augenblick aktiviert, alle noch funktionsfähigen Gehirnzentren werden im gleichen Augenblick in elektronisch verstärkte Erregung versetzt, und die im Körper verbliebene Energie wird vom Gehirn angesaugt, während es unter der Überlastung endgültig verbrennt.
    Nun, die Behauptungen der Ladersüchtigen mögen sein, was sie wollen, die Wissenschaftler der Psychosomatik behaupten jedenfalls, daß dies die theoretische Grenze des menschlichen Bewußtseins ist, ein Zustand zerebraler Aktivierung, der nur in den kurzen Augenblicken, bevor das Gehirn stirbt, als unausweichlicher Preis seiner Existenz erreicht werden kann.
    Könnte uns das ironische Schicksal einen grausameren Scherz spielen als diesen? Erst im Augenblick des Todes kann der Psychonaut des Geistes die Blume seiner Vollkommenheit erreichen.
    Vraiment, die wissenschaftlichen Annalen zu studieren, selbst sich mit dem unausweichlichen Ende dieser Geschichte abzufinden, ist eine Sache, aber das Auf und Davon selbst zu beobachten war eine ganz andere.
    Mit einem Mal, ohne jede Vorwarnung, begannen willkürliche Krämpfe durch die dünne Muskulatur von Pater Pans Körper zu laufen. Seine Arme und dann die Beine begannen zu rucken und zu zucken, als kämpfte eine bewußte Kraft in ihm um die Kontrolle. Und sein Gesicht…
    Seine Gesichtsmuskeln begannen zu tanzen, doch alles andere als zufällig, denn irgendwie begannen sie eine Serie von zusammenhängenden, doch ganz unterschiedlichen Gesichtern zu bilden, als rasten Wellenfronten von Persönlichkeitsmustern durch sie. Doch die Augen, die zum letztenmal durch all diese Masken der Menschlichkeit in die Welt hinausblickten, schienen Fenster eines einzigen Geistes zu sein, der sich in jeder vorübergehenden Verkörperung zu Hause fühlte und der dennoch übernatürlich hell und unveränderlich blieb.
    Denn während die letzte Maske des Königs der Gypsies und Prinzen der Joker die Gesichter all der natürlichen Männer trug, die er gewesen war oder zu sein geprahlt hatte, während jedes einzelne seine eigene Vision von unaussprechlichem Entzücken war, verrieten die Augen des inneren Wesens, das durch sie strahlte, eine einzigartige Ekstase.
    Es verging viel zu schnell, als daß sich eine Menge bilden konnte, denn in
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