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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks
Autoren: Norman Spinrad
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esoterischen Aspekte eben jener Klassenzimmerthemen, während sie auf die Zuwendung meiner Mutter warteten oder von meinem Vater ausgerüstet wurden oder während sie einfach bei Wein und Leckereien mit meinen Eltern und mir plauderten.
    Als ich dann allein oder mit Klassenkameraden durch die sagenhaften Bezirke Riovilles zu streifen begann, schlich sich der Gedanke an Ruhm und Berühmtheit in meine bis dato naive und völlig egalitäre Weltanschauung. Wenn ich in eine Galerie schlenderte, um mich müßig in Gemälde oder Holos oder Weltblasen zu vertiefen, entdeckte ich oft, daß die Schöpferin dieses Werkes mich auf ihrem Knie hatte hüpfen lassen; diese Ari Baum Gondor zum Beispiel, die die winzigen Ökosphären geschaffen hatte, die all das Erstaunen hervorriefen, war dieselbe Ari, die ich immer als Quelle meiner liebsten Süßigkeiten betrachtet hatte. Bei einem Konzert oder einem Liederabend oder einem Tanz genoß ich oft die Darbietungen von Künstlern, die zu meinem privaten Vergnügen gesungen und gespielt hatten, seit ich mich erinnern konnte. Die Bibliotheken waren mit Wortkristallen vollgestopft, die von meinen tios und Tanten stammten, und ich konnte jederzeit in einem kulinarischen Treffpunkt speisen, dessen chef maestro am Tisch meiner Eltern gesessen hatte.
    Kurz gesagt wuchs ich in dem Bewußtsein auf, daß die Menschheit in zwei Untergruppen zerfällt: die Berühmten und die Anonymen, die Schöpfer von Kunst, Musik, Literatur und Wissenschaften und die Konsumenten derselben, die Elite des haut monde und die Masse der gewöhnlichen Sterblichen. Und ich, wie meine eigenen Augen und Ohren so deutlich demonstrierten, war ein Kind der ersteren, per Geburtsrecht ein Lieblingswesen des Schicksals.
    Was nicht heißen soll, daß ich ein größeres Ego-Monster wurde als jeder durchschnittliche Zehnjährige, denn der Kreis meiner Spielgefährten, mit denen ich reiste, gehörte zum gleichen Umfeld; viele ihrer Eltern waren eben die maestros und Berühmtheiten, deren behagliche Intimität meinen geheimen Stolz nährte, und naturellement wurde ich in dieser erwachsenen Sphäre des haut monde als Kind geduldet und nicht als Gleichgestellte akzeptiert.
    Selbst im Reich der Bildung hatte diese innere Vorstellung über meinen wahren Platz in der Welt seine Schattenseiten. Einerseits erodierte mein Respekt für die Lehrer durch meinen freien und lockeren Umgang mit den ihnen intellektuell und sozial übergeordneten Meistern; ich war mir nicht zu schade, sie ab und zu mit Redewendungen zu reizen, die ich bei Tisch aufgeschnappt hatte und für überlegenes Wissen hielt. Andererseits hatte ich fast von Geburt an intellektuelle haute cuisine genossen und viel Wissen durch eine Art Osmose aufgenommen; außerdem lag das bißchen Ehrgeiz, das ich hatte, eher darin, von den Besuchern meiner Eltern als Gleichgestellte akzeptiert zu werden, und so war ich wenigstens motiviert, die öffentliche intellektuelle Schmach eines unvorbereiteten Schülers zu vermeiden.
    Alles in allem war das Ergebnis, daß ich eine begabte, allerdings schlecht motivierte und nicht sehr eifrige Schülerin war, der jegliche Begeisterung für schulische Dinge abging und die zufrieden war, mit einem Mindestmaß an Aufwand durchs Studium zu eilen, während meine Vorstellung des Reifeprozesses als Bestandteil von spirituellen, intellektuellen oder karmischen Prozessen gleich Null war.
    Und so, wenn ich damals ob dieser Verallgemeinerung auch höchst beleidigt gewesen wäre, war ich doch typisch für das vorpubertäre Stadium unserer Rasse, denn die biologische Matrix der Leidenschaft – ob sie intellektuell, künstlerisch, politisch, spirituell oder sexuell ist – kann von einem vorpubertären Stoffwechsel einfach nicht erzeugt werden. Deshalb die Weisheit, das Wanderjahr zu durchlaufen, ehe man sich jener tieferen Bildung zuwendet, die von leidenschaftlicher Hinwendung zu einem Lebensziel begleitet sein muß und die von der sozialen und spirituellen bis zur molekularen Ebene alle Bereiche erfassen muß.
     
    Und aus diesem Grund löst die Pubertät auch tumultartige psychische Veränderungen aus, die dem Genuß mächtiger psychogener Drogen sehr ähnlich sind. Während die früheste und offensichtlichste soziale und psychologische Manifestation dieser biochemischen Revolution das Erwachen der ältesten menschlichen Leidenschaft ist, nämlich der sexuellen Lust, sucht dieser molekulare Hunger nach Neuheiten, nach körperlicher Erregung und nach
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