Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kind der Prophezeiung

Kind der Prophezeiung

Titel: Kind der Prophezeiung
Autoren: David Eddings
Vom Netzwerk:
wurde zu Bett gebracht.
    »Wenigstens habe ich Kal Torak geschlagen«, erzählte er Tante Pol schläfrig.
    Sie sah ihn scharf an. »Wo hast du von Torak gehört?« wollte sie wissen.
    »Er heißt Kal Torak, Tante Pol«, erklärte Garion geduldig.
    »Antworte mir.«
    »Die Arbeiter haben Geschichten erzählt – der alte Cralto und die anderen – von Brand und Vo Mimbre und Kal Torak und allem. Das haben Rundorig und ich gespielt. Ich war Brand, und er war Kal Torak. Ich kam allerdings nicht dazu, meinen Schild zu enthüllen. Rundorig schlug mich auf den Kopf, bevor wir soweit waren.«
    »Ich möchte, daß du mir zuhörst, Garion«, sagte Tante Pol, »und ich möchte, daß du gut zuhörst. Du sollst nie wieder den Namen Torak aussprechen.«
    »Er heißt Kal Torak, Tante Pol«, erklärte Garion wieder, »nicht einfach nur Torak.«
    Dann schlug sie ihn – was sie nie zuvor getan hatte. Der Schlag auf den Mund überraschte ihn mehr, als er schmerzte, da sie nicht sehr fest geschlagen hatte. »Du wirst den Namen Torak nie wieder aussprechen. Niemals!«, sagte sie. »Das ist wichtig, Garion. Deine Sicherheit hängt davon ab. Ich möchte, daß du mir das versprichst.«
    »Du mußt nicht gleich so wütend werden«, sagte er gekränkt.
    »Versprich es.«
    »Na schön, ich verspreche es. Es war ja nur ein Spiel.«
    »Ein sehr dummes Spiel«, sagte Tante Pol. »Du hättest Rundorig töten können.«
    »Und was ist mit mir?« protestierte Garion.
    »Du warst eigentlich nie in Gefahr«, erklärte sie. »Und jetzt schlaf.«
    Und als er unruhig eindöste, ganz schummerig im Kopf von seiner Verletzung und dem seltsamen bitteren Trank, den seine Tante ihm gegeben hatte, schien es, als hörte er ihre tiefe, volle Stimme sagen: »Garion, mein Garion, du bist noch zu jung.« Und später, als er aus tiefem Schlaf emportauchte, wie ein Fisch der silbrigen Oberfläche des Wassers zustrebt, kam es ihm vor, als hörte er ihren Ruf: »Vater, ich brauche dich.« Dann versank er wieder in unruhigen Schlaf, der heimgesucht ward von der dunklen Gestalt eines Mannes auf einem schwarzen Pferd, die jede seiner Bewegungen mit kalter Feindseligkeit und etwas, das sehr dicht an Furcht herankam, beobachtete; und hinter jener dunklen Gestalt lauerte, wie er immer schon gewußt, aber nie, nicht einmal Tante Pol, offen eingestanden hatte, das entstellte, häßliche Gesicht, das er in seinem Kampf mit Rundorig kurz gesehen oder sich eingebildet hatte: Es war düster, wie die grauenhafte Furcht eines unaussprechlich bösen Baumes.

2
    I n dem endlosen Mittag von Garions Kindheit erschien nicht lange danach wieder einmal der Geschichtenerzähler am Tor von Faldors Farm. Der Geschichtenerzähler, der keinen richtigen Namen zu haben schien wie andere Menschen, war ein ziemlich verrufener alter Mann. Die Knie seiner Hose waren geflickt, und die nicht zusammenpassenden Schuhe hatten an den Zehen Löcher. Seine langärmelige, wollene Tunika war um den Bauch mit einem Stück Seil zusammengehalten, und seine Kapuze, ein seltsames Kleidungsstück, das in diesem Teil Sendariens normalerweise nicht getragen wurde und das Garion wegen der losen Schulterstücke, die Brust und Rücken bedeckten, recht gut gefiel, war fleckig und schmutzig von verschütteten Speisen und Getränken. Nur sein Umhang schien ziemlich neu zu sein. Das weiße Haar des alten Geschichtenerzählers war kurz geschnitten, ebenso sein Bart. Sein Gesicht war ernst, von einer gewissen Kantigkeit, und seine Züge erlaubten keinen Schluß auf seine Abstammung. Er sah weder einem Arendier noch einem Chereker, einem Algarier noch einem Drasnier, einem Rivaner noch einem Tolnedrer ähnlich, sondern schien aus einer Rasse zu stammen, die schon längst vergessen war. Seine Augen lagen tief und waren leuchtend blau, ewig jung und ewig voller Unheil.
    Der Geschichtenerzähler erschien von Zeit zu Zeit auf Faldors Farm und war stets willkommen. Er war tatsächlich ein heimatloser Vagabund, der sich mit Geschichtenerzählen durchs Leben schlug. Seine Geschichten waren nicht immer neu, aber in der Art, wie er sie erzählte, lag eine gewisse Magie. Seine Stimme konnte rollen wie Donner oder zu einem zephirgleichen Wispern herabsinken. Er konnte die Stimmen von einem Dutzend Männern gleichzeitig nachahmen, pfeifen wie ein Vogel, so daß die Vögel selbst kamen, um zu hören, was er ihnen zu sagen hatte, und wenn er das Geheul eines Wolfes nachahmte, ließ dieses Geräusch die Haare seiner Zuhörer zu Berge stehen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher