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Killerspiel

Killerspiel

Titel: Killerspiel
Autoren: Michael Marshall
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Räume gedient haben mochten, die man unter David Warners Haus gefunden hatte. Eine kleine, doch machtlose lokale Aktionsgruppe, die von Angehörigen vermisster Frauen aus der Gegend gegründet wurde, verlangt, das Gebäude abzureißen, um den unterirdischen Bereich gründlich untersuchen zu lassen. Bislang hatten sie nicht den geringsten Erfolg. Da das Haus inzwischen von einer Holding im Besitz eines unbekannten Mannes an der Westküste erworben wurde, ist damit zu rechnen, dass es auch so bleibt.
    Peter Grant hat Shore Realty verkauft und den Bundesstaat verlassen. Marie Thompson lebt nun in dieser riesigen Wohnung mit Meeresblick allein. Herrscherin über ein geschrumpftes Reich, ohne Halt in der Gegenwart. Ohne Freunde, will ich hoffen.
    Ganz gewiss allein.
     
    Vier Wochen, nachdem ich in der Versenkung verschwunden war, entdeckte ich einen Artikel in der
Longboat Gazette
und einen weiteren in der Online-Ausgabe der
Sarasota Times.
Der lokale Mann des Gesetzes, Frank Barclay, war in seinem Haus tot aufgefunden worden, nachdem er sich mit einer Kugel selbst das Leben genommen hatte. Auf einer Festplatte im Keller fand sich eine Sammlung Kinderpornographie. Ich bezweifle, dass sie ihm gehörte, so wie ich nicht glaube, dass sich seine letzten Momente tatsächlich so abgespielt hatten, wie sie geschildert wurden oder wie er es sich gewünscht hätte. Meiner Meinung nach hatte er mir nur zu viel erzählt. Ich denke, es ist deshalb so weit mit ihm gekommen, weil ich Cassandra gesagt hatte, was ich von ihm wusste.
    Damit kann ich leben.
    Für Außenstehende haben die beiden Geschichten nichts miteinander zu tun, und Barclays Tod gehört einfach zu den schlimmen Dingen, die schlimme Menschen verdienen. Wir sind alle Kiesel an einem Strand. Einer hier, ein anderer dort, eine weitere Handvoll an der Flutlinie. Doch sie wurden alle vom selben Ozean dort angespült, der uns bedächtig hin und her schiebt, wenn alle schlafen. Egal, wohin du dich gerade wendest, es passiert immer mehr hinter deinem Rücken als vor deinen Augen. Verlass dich drauf.
    Es gibt nur noch ein einziges loses Ende, die Gefälligkeit eines Mädchens, das seine eigene Version des Spiels spielt. Dieses lose Ende liegt im Verborgenen. Im Moment.
     
    Ich habe keinen Kontakt zu meiner Mutter gehalten. Zuerst habe ich mich von ihr ferngehalten, weil ich nicht wollte, dass sie durch ihr Wissen die Polizei oder jemand anders auf meine Spur bringen könnte. Doch je mehr Zeit ich allein verbrachte, desto mehr Fragen drängten sich mir auf. Wie gut kannte ich sie eigentlich? Sie war zweifellos in meiner Kindheit immer für mich da gewesen. Doch es war nicht auszuschließen, dass sie sich in den Jahren, als ich in Florida lebte, verändert hatte, dass sie für meine Widersacher zugänglich war. Nicht auszuschließen, dass dies schon
immer
in ihrem Wesen lag. Hatte ich überhaupt einen Beweis, dass ich ihr Sohn war? Die Leute erzählen einem Dinge, doch diese müssen noch lange nicht stimmen. An dieser Stelle ergaben sich weitere Fragen. Hatte mein Vater wirklich einen Herzinfarkt erlitten? Bis dahin war er immer sehr gesund und sportlich gewesen. War irgendwann ein Zeitpunkt gekommen, an dem es besser schien, dass er nicht mehr da war?
    Absurde Ideen. Wahrscheinlich. Aber sind wir denn jemals mehr als Details zugrundeliegender Determinanten, über die wir nur in unserer Illusion Kontrolle haben? Das Paar, das mit der Pünktlichkeit eines Uhrwerks zur Kirche geht, aber Masken aufsetzt, um hausgemachte Sadomaso-Videos im Internet zum Verkauf anzubieten; der Mann, dessen alkoholkranke – untreue und gewalttätige – Frau sich nach außen hin so nüchtern und tüchtig präsentiert, dass er glaubt, er lebe in einem Alptraum; die Mutter, deren Kind mit dem Engelsgesicht sie jeden Morgen so fertigmacht, dass sie – nachdem sie die Tochter endlich an der Schule abgesetzt und mit den anderen Müttern, die alles offenbar so gut meistern, ein wenig geplaudert hat – zehn Minuten im Auto sitzt und sich das Herz aus dem Leib weint, während sie sich mit den Fingernägeln tiefe Halbmonde in die Handflächen gräbt.
    Wir führen alle irgendwo ein Leben wie die Frauen von Stepford, täuschen so vieles vor, dass wir es nicht einmal mehr merken, besonders, da dieses Schauspiel schon so lange läuft, dass wir nicht mehr wissen, wozu. Doch manchmal fällt das Kartenhaus zusammen, und plötzlich wollen wir die ganze Welt niederbrennen, nur um etwas Ruhe vor den Lügen zu
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