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Kill your friends

Kill your friends

Titel: Kill your friends
Autoren: John Niven
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nah, dass sie bis zur völligen Bildauflösung verpixelt sind – zeigen beunruhigend große Schwänze in einem unendlichen Mösenslalom, schreiend grelle Dildos, die wundgescheuerte Rosetten penetrieren, steif und gebieterisch durch gut geschmierte Brüste gleitende Schwänze. Auf anderen Monitoren läuft Finanzkram: Grafiken der Londoner Immobilienpreise, brüllende Parketthändler in Blazern, Tortendiagramme von Musikindustrie-Marktanteilen, aufeinandergestapelte Geldbündel, Bilanzen, rote Zahlen, schwarze Zahlen, gewinnbringende Acts, verlustbringende Acts. Ein paar Bildschirme zeigen Bands und Sänger: Acts, die ich in der Vergangenheit unter Vertrag genommen habe, neue Acts, die wir unter Vertrag nehmen wollen, und erfolgreiche Acts, die ich unter Vertrag nehmen wollte, aber nicht habe (die quälendsten Bilder). Eine kleine Reihe weit entfernter Monitore, ganz oben in einer staubigen Ecke, zeigen wahllos Filmmaterial von Kollegen und Rivalen, die einer barocken Folter unterzogen werden.
    In meinem Kopf gibt es auch Menschen: Techniker mit kurzärmeligen Hemden, Kulis in den Brusttaschen, den kleinen Headsets und Styroporkaffeebechern. Sie sitzen mit hängenden Lefzen vor den Monitoren. Sie sind nicht erfreut über das, was sie dort sehen, weil ihnen bewusst ist, dass es nicht gut ist. Aber sie scheinen nichts dagegen unternehmen zu können. Sie rennen herum und schreien sich gegenseitig an. Sie drängeln sich beunruhigt um blinkende Computer. Sie schütteln ihre Köpfe über wahnwitzige Endlosschlangen von Ausdrucken und murmeln »Zum Teufel, das kann doch nicht wahr sein«, aber die Monitore sprechen eine unmissverständliche Sprache.
    So fühlt es sich da drin an – als gäbe es eine Mission, aber keine Kontrolle.
    Bevor ich zum Meeting gehe, nehme ich meine Taschenbuchausgabe von Unleash Your Monster des amerikanischen Selbsthilfegurus Dr. David S. Hauptman und schlage sie irgendwo auf: »In jedem Zeitalter werden Männer geboren, die in ihren Herzen, in der Schwärze ihres Blutes, Krieger sind. Aber für die meisten von uns gibt es keine Kriege mehr, um darin zu kämpfen. Was sollen sie also tun, diese Männer?«
    Beim Verlassen des Büros höre ich den Lärm einer Feier – Sektkorken knallen, Gelächter – aus der Buchhaltung am Ende des Flurs: »Über was freuen sich diese Clowns bloß so affig?«, frage ich Rebecca.
    »Oh, Rick hat gerade erfahren, dass er Papa wird«, sagt sie aufgekratzt, und ich realisiere, dass sie sich aufrichtig für ihn freut.
    Das erstaunt mich aus zwei Gründen: 1. Woher kommt diese echte Freude über das Glück eines anderen, an dem du keinerlei Anteil hast, und 2., warum feiert dieser Kerl die Tatsache, dass er einen Schlussstrich unter sein Leben ziehen kann? Da könnte er genauso gut aus der Arztpraxis stürmen und fröhlich quiekend mit dem positiven Krebsbefund herumwedeln. Der Gedanke an Kinder macht mich krank. Die Vorstellung, selbst eins zu haben … Wenn man diese Typen im Supermarkt sieht, wie sie den Kinderwagen durch die Gegend schieben, während ihre Blagen greinen und betteln und die missratene Brut sie bei jedem kleinen Gegenstand, den sie aus den Regalen nehmen, mit nervtötenden Fragen löchert. Ich meine, allein diese verfickte Idee, das bloße Wort Familie. Wann immer ich es sehe, in Reisebroschüren (Familienurlaub, Familienzimmer) und in Programmheften, wird mir übel.
    Außerdem denke ich – Rick? Wer zum Teufel ist Rick aus der Buchhaltung?
    Das ist mein Job: Ich höre mir Musik an – Sänger, Bands, Songwriter – und entscheide, welche eine reelle Chance auf kommerziellen Erfolg haben. Dann kümmere ich mich darum, dass ihre Musik angemessen aufgenommen wird, und wir, die Plattenfirma, verkaufen sie schließlich an euch, die Öffentlichkeit. Klingt ganz einfach in deinen Ohren? Fick dich ins Knie – du würdest es keine zehn Minuten überleben.
    Nicht, dass ich eine fehlerlose Erfolgsbilanz vorweisen könnte. Niemand kann das. Aber ich bin verdammt noch mal gut. Im Schnitt liege ich nur in acht oder neun von zehn Fällen falsch. Das soll heißen, wenn man mir zehn neue Bands vorspielt, werde ich vermutlich ohne zu zögern drei oder vier Acts ablehnen, die anschließend außerordentlichen Erfolg haben. Ich habe Demotapes von Bands, die heute Megastars sind, quer durch den Raum gefeuert, Bands, deren Platten du besitzt, während mir vor Lachen die Tränen das Gesicht herunterliefen. Ich habe Untergebene beschimpft und beleidigt, weil sie die
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