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Kill your friends

Kill your friends

Titel: Kill your friends
Autoren: John Niven
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ganz tief hier drinnen.« Sie presst inbrünstig eine Hand auf ihr Herz.
    Crush, nominiert als bester Newcomer, ist eine Einundzwanzigjährige aus East-London, die von Parker-Hall drüben bei der EMI unter Vertrag genommen wurde. Ihr von der Kritik hochgelobtes Debütalbum wurde letztes Frühjahr veröffentlicht und stieg auf Platz 63 in die Charts ein. Und, glücklicherweise, sah es erst ganz danach aus, als wär’s das auch schon gewesen. Game over. Aus die Maus. Dann, schrittweise, entsetzlich, begann sich das Album zu verkaufen. Mund-zu-Mund-Propaganda. Mit einem Mal fand sich eine Single auf der Playlist von Radio One, und das Album ging Gold. Ich möchte gar nicht erst darüber nachdenken, zu was sich diese beschissene Sache noch entwickelt, was aus Parker-Hall wird, sollte Crush tatsächlich zum besten Newcomer gekürt werden. Ich mache eine Notiz in meiner »To do«-Liste, alsbald dem Ficker einen Kumpelanruf zu verpassen.
    »Denn das ist es doch, worum es geht«, sagt Crush dem Interviewer. »Integrität. Klar?« Ich drehe die Lautstärke runter, als sie dazu übergeht, die Reglementierung von Schusswaffenbesitz oder so was zu diskutieren.
    Schon interessant. Ich erinnere mich noch gut, wie ich auf ihrer Signing-Party vor einem Jahr war und jemand in ihrer Gegenwart die Phrase »künstlerische Integrität« benutzte. Sie zog die Brauen zusammen und fragte ihren Manager – nicht rhetorisch – »Was’n Integrität!« Im Ernst, wir reden hier von einem Mädchen, das kaum lesen kann. Ein Mädchen, das noch vor zwölf popeligen Monaten den geronnenen Schweiß vom pickligen Sack eines Penners gelutscht hätte, um einen Plattenvertrag zu ergattern. Und jetzt redet die hier von »Integrität« und Gott weiß was für einen Nonsens. Wenn sie keine Platten verkaufen – ist es ein Albtraum. Wenn sie viele Platten verkaufen – ist es ein völlig anderer Albtraum. Weil diese Deppen, diese Handelsvertreter mit Hauptschulabschluss, diese Missgeburten mit ihren gähnend leeren Hohlbirnen, dann urplötzlich meinen, die Tatsache, dass ein paar Hunderttausend Mitglieder der bedeutsamen großbritischen Öffentlichkeit (ja klar, diese Tiere) Gefallen an ihren Liedchen finden und auf irgendeinem primitiven Level auf ihre Knittelverse reagieren, bedeute, sie hätten vom Financial Ti mes -Aktienindex bis zum Friedensprozess im Nahen Osten zu allem etwas von unermesslichem Wert beizutragen. Wenn sie also das nächste Mal eine Mercury Music Prize/Brit Award/Grammy-nominierte Diva dabei erwischen, wie sie die komplette »Ich bin eine starke, unabhängige Frau mit interessanten Ideen«-Nummer abzieht, erinnern sie sich daran: Es ist nur einer winzigen Laune des Schicksals, einem deliriösen Aufbäumen eines glücklichen Zufalls, dem allerunwahrscheinlichsten aller Wunder zu verdanken, dass ihre großen Reden nicht in den Worten »Tut mir leid, mein Herr, aber diese Kasse schließt gerade« oder »Anal macht zwanzig Piepen extra, Mister« münden.
    Es wird gemunkelt, die Ellie-Crush-Platte würde in Amerika durchstarten. Sollte dem so sein, wäre es durchaus vorstellbar, dass dort Millionen Einheiten verkauft werden, eher noch als die paar Hunderttausend, die es bräuchte, damit die Platte hier als halbwegs erfolgreich gelten darf.
    Ich weiß, dass Parker-Hall zwei Prozentpunkte pro Album kriegt, weil ich seinen Anwalt auf einer Weihnachtsparty abgefüllt habe. Wenn die Platte in Amerika ordentlich läuft, dürfte Parker-Hall mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit Millionär werden. Er ist fünfundzwanzig. Zwei Jahre jünger als ich. Mir die Möglichkeit seines Erfolgs einzugestehen, mir das überhaupt nur vorzustellen, macht mich fertig. Mir wird schwarz vor Augen. Und kotzübel.
    Ich versuche, an etwas anderes zu denken, mich abzulenken, indem ich eine weitere Zigarette rauche und ein paar Spesenabrechnungen mache. Dabei stelle ich einigermaßen überrascht fest, dass ich im Dezember beinahe zweitausend Pfund für »Unterhaltung« ausgegeben habe.
    Tatsächlich ist es nicht ganz richtig zu sagen, ich würde an etwas denken oder gar an etwas Konkretes, zumindest nicht für länger. Im Inneren meines Kopfes verhält es sich nämlich so: Stellen Sie sich einen riesigen Wall aus Bildschirmen vor, Dutzende davon, die bis hoch in den Himmel aufragen, wie man sie aus der Mission Control bei der NASA kennt. Ganz gleich zu welcher Uhrzeit, zeigen viele von ihnen einfach Hardcore-Pornos: Wälle über Wälle mit Close-ups – einige davon so
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