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Kill your friends

Kill your friends

Titel: Kill your friends
Autoren: John Niven
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zurückreicht. Er ist hochgewachsen und nicht zuletzt dank des fordernden, vorspringenden und gespaltenen Kinns, das zur Standardausstattung seiner Klasse zu gehören scheint, geradezu lächerlich gut aussehend. Aber das Beeindruckendste an ihm ist sein Eliteschülerbariton, der Klang vergoldeter Eiche, die Stimme von jemandem, der aufgezogen wurde, das Empire zu führen.
    »So gut wie fertig«, sagt Schneider, lehnt sich zurück und beißt in einen grünen Apfel. »Er will in ein paar Wochen eine Listening-Session für uns alle veranstalten.« Schneider sieht aus wie eine schmächtige, jüdische Billigausgabe von Trellick: ähnliche Klamotten, allerdings nicht so gut sitzend, eine weniger elitäre staatliche Schule, seine Stimme ein dünner, piepsiger Abklatsch von Trellicks eruptivem Donnerhall. Heute hat er sein dunkles Haar mit Gel zurück gekämmt, und seit Kurzem trägt er eine Brille. Ein schwarz gerahmtes Designerstück, von dem dieser Clown zweifellos glaubt, es würde ihn intelligenter erscheinen lassen. Gewöhnlich setzt er sie auf Meetings ab, um nachdenklich auf einem Bügel herumzukauen. Schneider hat ein nagetierartiges Opfergesicht. Er mummelt an seinem Apfel und spricht weiter von Veröffentlichungsterminen und Vorlaufzeiten. Er wirkt entspannt. Er ist es nicht.
    Ehrlich gesagt, Schneider hat einmal zu oft aufs falsche Pferd gesetzt. Sein Stuhl als A&R wackelt zusehends. Den Drum’ n ’Bass-Superstar Rage hat er vor zwei Jahren unter Vertrag genommen. Sein Debütalbum Phosphoressence – heilige Scheiße –, das Gold-Status erreichte und nebenbei eine Mercury-Nominierung einsackte, war letztes Jahr die Sensation der Dance- und Style-Presse. Eine Goldene Schallplatte ist allerdings einen Scheißdreck wert, wenn du in der Folge zwei Millionen Pfund in den Sand setzt, indem du vier Blindgänger nacheinander unter Vertrag nimmst. Um derartige Misserfolge zu kompensieren, brauchst du schon Platin-Verkäufe. Das neue Rage-Album, so Schneiders Hoffnung, ist seine große »Du kommst aus dem Gefängnis frei«-Karte. Ominöserweise werkelt Rage aber bereits seit vier Monaten völlig isoliert in seinem Heimstudio an der Platte – und wir haben noch nicht einen Ton zu hören bekommen. Es geht das Gerücht um – und Gerüchte stimmen, kurz gesagt, fast immer –, dass er seinen Vorschuss durch die Nase jagt. Gramm um Gramm, Tag für Tag. Da ich, als ich noch Scout war, den Rage-Deal eingefädelt habe, bin ich immer noch in das Projekt involviert. Aber in sicherer Distanz, denn Rage, so mein Verdacht, hatte nur dieses eine Ass im Ärmel. Er ist ein Talentvakuum. Darüber hinaus ist er der beschissenste Faulpelz, den man sich vorstellen kann.
    »Und, haben wir inzwischen ein finales Tour-Support-Budget?«, fragt Derek.
    »In etwa«, sagt Schneider und wirft seinen Apfelrest in den Papierkorb. »Steven und ich haben uns für nächste Woche mit ihm und Fisher zum Lunch auf der MIDEM verabredet, um die Sache zum Abschluss zu bringen.« Schneider versucht, mich erneut so eng wie möglich an das Projekt zu binden, nur für den Fall, dass die Chose komplett den Bach runtergehen sollte – und er dann einen Lee Harvey Oswald braucht.
    »Gut, gut, mach das klar, und setz mich bitte in cc, sobald das Budget steht«, sagt Trellick während er sich Rob Hastings zuwendet.
    Hastings ist dünn wie eine Gitarrensaite und nervös wie ein frisch entlassener Kinderschänder. Während er sich eine . dieser schmuddeligen selbst gedrehten Kippen, die er wie ein Schlot qualmt, zwischen seine kleinen, vorstehenden Hasenzähne klemmt, scannen seine Karnickelaugen den Raum ab, denn er versucht herauszufinden, von wo der nächste Angriff kommen könnte. Er kleidet sich auch nicht wie der Rest von uns; keine schwarzen Kaschmir-Pullover mit V-Ausschnitt, keine Prada- oder Kurt-Geiger-Schuhe. Nicht für Hastings. Der trägt schlabbrige Flannelhemden mit abgewetzten Ellbogen, zerschlissene Jeans und Doc Martens. Ich gebe zu, der Typ ist mir ein Rätsel. Irgendjemand hat mir mal gesteckt, Rob könne problemlos mit hundert Pfund die Woche auskommen. Alles, was er bräuchte, wäre ab und an ein Bierchen, hin und wieder ein Curry und einen Brocken Dope. Er fährt einen VW. Er dreht sich seine Zigaretten selbst. Warum haut dieser sabbernde Megamongo nicht, wie es sich gehört, jedes verdammte Wochenende sein komplettes Gehalt – und mehr – auf den Kopf? Wie kann er auf Berge von Koks und Nutten verzichten? Wo sind die
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