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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken
Autoren: Annabel Pitcher
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das wahre Leben, nicht um erfundene Geschichten, was für mich ziemliches Neuland ist. Normalerweise schreibe ich näm lich Fantasiegeschichten, und falls Sie das interessiert: Meine allerbeste bislang heißt Wischel der Wuschelklops . Darin geht es um ein blaues wuschliges Wesen, das in einer Dose gebackener Bohnen hinten im Vorratsschrank einer Familie lebt. Da wohnt es schon seit Jahren, aber eines Tages will ein Junge namens Mod (eigentlich heißt er Dom, aber er liest am liebsten alles rückwärts) gebackene Bohnen auf Toast essen und macht die Dose auf. Und da ploppt Wischel heraus auf den Mikrowellenteller.
    Ich weiß ja nicht, wie lange Sie schon Gedichte schreiben, Mr Harris, aber ich will schon Schriftstellerin werden, seit ich in der Grundschule meine erste Buchbesprechung über die Fünf Freunde verfasst habe. Viereinhalb von fünf Sternen habe ich dem Buch damals gegeben, weil es spannend war und sie am Ende den Schatz gefunden haben, aber dieses Mädchen namens George, so eine Art Transvestit, sprach immer mit ihrem Hund, deshalb habe ich einen halben Stern abgezogen. Irgendwie fand ich das unrealistisch.
    Jetzt scheinen hier haufenweise Sterne durchs Fenster, und jeder einzelne strahlt ganz hell. Vielleicht finden die Aliens den Planeten Erde ja deswegen so schön, aber daran merkt man, dass sie keine Ahnung haben. Es ist so still draußen, als würde die Welt die Luft anhalten, damit ich die Geschichte erzähle. Und Sie tun das bestimmt auch. Also los.
    Es begann alles vor einem Jahr mit einem unerwarteten Anruf. Damals, im August, hatte ich eine ganze Woche lang versucht, genug Mut zu fassen, um Mum zu fragen, ob ich am Wochenende zu einer Party gehen dürfte. Es war nicht irgendeine x-beliebige Party. Sie fand bei Max Morgan statt, einem obercoolen Typen, und wir wollten alle noch mal richtig feiern, bevor ein paar Tage später wieder die Schule anfing. Leider lag die Chance, dass Mum es mir erlauben würde, unter einem Prozent, denn damals durfte ich einfach überhaupt nichts, nicht mal mit Lauren shoppen gehen, weil Mum fürchtete, ich könnte entführt werden oder meine Noten würden in den Keller gehen.
    Um die Schule konnte man sich bei uns nicht drücken, weil Mum ihren Job als Rechtsanwältin nach Dots Geburt aufgegeben hatte und ständig darauf schaute, dass wir auch brav lernten. Wenn ich morgens aufwachte, war sie bereits zur Stelle und fragte mich, welche Fächer ich an diesem Tag hatte. Und sie war da, wenn ich zurückkam, um meine Schulaufgaben zu beaufsichtigen. Den Rest der Zeit verbrachte sie mit Hausarbeit. Unser Haus ist ziemlich groß, weshalb es viel Arbeit macht, es immer picobello sauber zu halten, aber Mum schaffte das, indem sie einen strengen Zeitplan einhielt. Selbst wenn sie im Fernsehen die Nachrichten schaute, legte sie nebenbei Wäsche zusammen und sortierte Socken. Und wenn sie in der Wanne lag und sich eigentlich entspannen sollte, polierte sie dabei die Armaturen, damit sie schön glänzten. Sie kochte auch viel, und immer nur mit den besten Zutaten. Die Eier mussten von freilaufenden Hühnern sein, und die Kuh musste im Garten Eden gelebt haben oder an irgendeinem Ort, an dem es keine Umweltverschmutzung und keine Chemikalien gab, damit ihr Fleisch nicht mit irgendwas verseucht war, das uns krank machen konnte.
    Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, Mr Harris, aber ich habe Ihre Mum gegoogelt (und nicht gefunden), weil ich wissen wollte, ob sie streng war und Sie ständig ermahnt hat, sich in der Schule anzustrengen, zu älteren Menschen höflich zu sein, keinen Ärger zu machen und immer das ganze Gemüse auf dem Teller aufzuessen. Ich hoffe, nicht. Es wäre ein Jammer, wenn Sie Ihre Jugend damit verbracht hätten, Broccoli zu mampfen, und nun sind Sie in einer Zelle eingesperrt und haben überhaupt keine Freiheit mehr. Ich hoffe, Sie haben zumindest früher ein paar richtig verrückte Sachen angestellt, wie als Mutprobe splitternackt durch den Garten der Nachbarn zu flitzen. Das ist nämlich bei Laurens Party an ihrem vierzehnten Geburtstag passiert, nachdem ich schon nach Hause gegangen war. Als Lauren mir dann in der Schule davon erzählte, setzte ich wie immer mein überlegenes Gesicht auf, um ihr zu zeigen, dass ich zu reif war für solchen Blödsinn. Aber als der Geschichtslehrer sagte, wir sollten aufhören zu flüstern und auf unser Arbeitsblatt schauen, sah ich plötzlich nur noch Brüste, die im Mondlicht auf und ab hopsten.
    Ich hatte es satt, immer
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