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Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Titel: Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom
Autoren: Uwe Klausner
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Executive Calabrese war mindestens ebenso gerissen wie sein Chef – und ihm in puncto Skrupellosigkeit um ein Vielfaches überlegen. Das hatte er bereits mehrfach unter Beweis gestellt. »Oder hat es Ihnen etwa die Sprache verschlagen?«
    »Keinesfalls, Sir«, versicherte der gelernte Ökonom, von dem es hieß, er höre die Flöhe husten. »Hoffentlich geht es Ihnen genauso wie mir.«
    »Castro?«
    »Wer denn sonst.«
    »Hab ich mir beinahe gedacht.« Dulles sog an seiner Pfeife, blies den Rauch in die Luft und ließ die giftgelben Zähne über seine blutleere Unterlippe gleiten. »Zäher Bursche, muss ich schon sagen.«
    »Verdammt zäh sogar.« In der für ihn typischen Art pirschte sich Calabrese nahezu lautlos an den Schreibtisch von Dulles heran und wartete geduldig, bis sich der Tabaksqualm verzogen hatte. »Sieht ganz danach aus, als würde er uns noch geraume Zeit in Atem halten.«
    »Mit anderen Worten: Operation Zapata 9 hat unserem Image großen Schaden zugefügt.«
    »Harmlos ausgedrückt, Sir.«
    »Inwiefern?«
    Calabrese gab ein verlegenes Räuspern von sich und knetete die zerfurchte Stirn. »Insofern, Herr Direktor, als dass mittlerweile über 100 Exilkubaner dabei draufge … äh … dabei auf der Strecke geblieben sind, Sir.«
    »Und der Rest?«
    »Die übrigen 1.400 Mann? Vermisst, desertiert, in die Sümpfe geflüchtet, in Gefangenschaft – Fiasko auf der ganzen Linie.«
    »San Román?«
    »Verschollen.«
    »Materialschäden?«
    »Immens, Sir. Ein Transportschiff versenkt, ein weiteres auf Grund gelaufen, acht von insgesamt 15 Flugzeugen abgeschossen.«
    »Und die Piloten?«
    »Alle tot, Sir.« Calabrese kratzte sich im Nacken, nahm seine Hornbrille ab und betupfte die schweißglänzende Stirn. »Unter ihnen vier Amerikaner.«
    »Gott sei Dank.«
    In seiner Eigenschaft als Abteilungsleiter von DECOP war der schwergewichtige, kurzsichtige und bis auf ein paar fettige, nach rechts gekämmte Haarsträhnen nahezu kahlköpfige Italo-Amerikaner einiges gewohnt und durch nichts zu erschüttern. Die Abgebrühtheit seines Vorgesetzten ließ jedoch selbst ihn nicht kalt, weshalb ihm beim Anblick des in aller Seelenruhe vor sich hinpaffenden CIA-Direktors zunächst die Worte fehlten. »Habe … habe ich Sie gerade eben richtig verstanden, Sir –«, stammelte er und hatte Mühe, seine Hornbrille wieder in die gewünschte Position zu bringen. »Sie sind tatsächlich der Meinung, es sei …«
    »… besser, so wenige Spuren wie möglich zu hinterlassen, Luke. Von unerwünschten Zeugen, aus denen man die Wahrheit herausprügeln und sie anschließend im Triumphzug durch Havanna schleifen könnte, ganz zu schweigen.«
    »Aber …«
    »Kein Aber, Chief Executive –«, beharrte Dulles, »je weniger Mitwisser, desto besser. Bedauerlich, dass der Schaden so hoch gewesen ist, keine Frage.« Dulles fuhr mit der Spitze seines Zeigefingers über den eisgrauen Oberlippenbart, reckte sich und schloss mit den Worten: »Bedauerlich, aber nun mal nicht zu ändern.«
    »Und ein Schlag ins Gesicht unserer Verbündeten.«
    »Falls nötig, korrigieren Sie mich, Luke –«, begehrte Dulles auf, »waren nicht Sie es, über dessen Schreibtisch die Planungen für Zapata gelaufen sind? Oder sollte ich da etwas verwechselt haben?«
    Calabrese verzog keine Miene, wenn der CIA-Chef mit einer Antwort gerechnet hatte, wurde er enttäuscht. Sein Protegé wusste genau, wie er Dulles zu nehmen hatte, weshalb er eine Kunstpause einlegte und so tat, als habe ihn sein Gegenüber auf dem falschen Fuß erwischt. Anschließend jedoch, als sich der Direktor des US-Auslandsnachrichtendienstes bereits als Sieger wähnte, zog er ein Tonband aus dem Jackett, wartete die Reaktion von Dulles erst gar nicht ab und fädelte es mit versteinerter Miene ein. »Ich denke, Sie sollten da mal reinhören, Sir«, beschied er seinem Vorgesetzten, während er mit gerunzelter Stirn auf den Abspielknopf drückte. »Bin gespannt, was Sie dazu sagen.«
    »Zuerst möchte ich einmal wissen, worum es hier überhaupt …«
    »Keine Bange, Sir –«, tat Calabrese kund, nicht ohne Überheblichkeit, wie Dulles nebenbei registrierte. »Das, was Sie auf dem Band hören werden, spricht für sich.«
     
    *
     
    Aus der Stimme auf dem Band, den Worten eines offenbar noch recht jungen Mannes, sprach die nackte Verzweiflung. Verzweiflung pur und darüber hinaus eine gehörige Portion Wut, Zorn, abgrundtiefe Enttäuschung – und Hass. Hell auflodernder, unbändiger Hass. »Wir
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