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Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Titel: Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom
Autoren: Uwe Klausner
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Sir, da haben Sie recht.« Ein hintergründiges, an Überheblichkeit grenzendes Lächeln auf den Lippen, rieb der Mann, auf dessen Schreibtisch sich mehr Geheimakten häuften als irgendwo sonst, die schwammigen Handflächen aneinander und überlegte. »Obwohl ich mir sehr gut vorstellen kann, wo es demnächst zum Showdown kommen wird.«
    Hellhörig geworden, blieb Allen Welsh Dulles stehen. Er traute Calabrese nicht über den Weg, am heutigen Tage weniger denn je. »Und wo, wenn man fragen darf?«, hakte er nach. »Nun kommen Sie schon – oder hat Ihre Glaskugel etwa den Geist aufgegeben?«
    Die Antwort kam schneller als gedacht, und der Tonfall, in dem dies geschah, war derart ernst, dass Dulles die Lust am Foppen verging. »In Berlin, Sir«, murmelte Calabrese, während sein Blick an Dulles vorbei zum Fenster wanderte, auf dem der Aprilregen lange Schlieren hinterließ. »Wo anders als in Berlin. Und soll ich Ihnen etwas sagen, Sir? Mein Instinkt sagt mir, dass wir bis zum nächsten Kräftemessen nicht allzu lange warten müssen.«
    »Und dann?«
    »Dann werden wir Sorge tragen, dass das Kennedy-Syndrom keinen Schaden mehr anrichten kann. Mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln!«
     
     
     
     

ZWEI
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    »The NATO shield was long ago extended to cover West Berlin, and we have given our word that an attack upon that city will be regarded as an attack upon us all.«
    »Der Schutzschild der NATO wurde vor langer Zeit zum Schutz von Berlin ausgedehnt, und wir haben unser Wort gegeben, dass ein Angriff auf diese Stadt als Angriff auf uns alle angesehen werden wird.«
     
    (Aus der Fernsehansprache von John F. Kennedy vom 25. Juli 1961)
     
     
    »Das Weiße Haus war schon einige Zeit vor dem August 1961 zu dem Schluss gekommen, dass die USA eine physische Barriere zwischen Ost und West weder verhindern konnten noch wollten.«
     
    (Aus: Seymour Hersh, Kennedy. Das Ende einer Legende, Hamburg 1998, S. 267)
 
 

CAMELOT
    Washington D. C.
     
    (Dienstag, 25. 07.1961)
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

3
    Weißes Haus, Oval Office
    | 20.12 h Washingtoner Zeit
     
    John Fitzgerald Kennedy, 35. Präsident der USA, war ein schwer kranker Mann. Niemand wusste das besser als er. Im Verlauf seiner Karriere hatte der erste katholische Präsident der Vereinigten Staaten bereits zweimal die Sterbesakramente empfangen und sich von seinem Leiden, der Addison’schen Krankheit, nie richtig erholt. Gegen ihre Symptome, zum Beispiel Verdauungsbeschwerden, Fieberschübe und Schwächeanfälle, kam er einfach nicht an, weder mithilfe herkömmlicher Medikamente noch durch Kortisonpräparate, die ihm in immer kürzeren Abständen verabreicht wurden. Darüber hinaus hatte er mit weiteren Gebrechen zu kämpfen, darunter Migräne, Magenkrämpfe und Rückenbeschwerden. Vor allem Letztere sorgten dafür, dass er sich vor Schmerzen mitunter kaum rühren konnte, und wäre der eigens für ihn angefertigte Schaukelstuhl und die Fußstütze unter seinem Schreibtisch im Oval Office nicht gewesen, hätte er am heutigen Tage, einem der wichtigsten seit seiner Amtsübernahme vor gut einem halben Jahr, vermutlich passen müssen.
    Krank sein war somit Alltag für ihn, beschwerdefreie Tage die Ausnahme. Da half keine Hydrokortison-Injektion und auch keine Wärmepackung, kein Ultraschall, Präparat gegen Durchfall, Antibiotikum oder Schlafmittel, in welcher Form auch immer. Ohne seinen täglichen Medikamentencocktail wäre der Liebling der Medien und unwiderstehliche Charmeur nicht imstande gewesen, die Probleme, mit denen er sich herumschlagen musste, auch nur annährend in den Griff zu bekommen. »Und wenn es Pferdepisse ist – Hauptsache, es hilft!«, pflegte der Präsident zu scherzen, doch gab es Tage, an denen ihm das Lachen verging.
    Heute, an einem brütend heißen Juliabend, war genau dies der Fall. Sein trockener Humor, eines seiner hervorstechendsten Charaktermerkmale, war ihm abhandengekommen. Müde und abgekämpft wie selten, lockerte der Präsident seine Krawatte, schloss die Tür, die vom Oval Office in den Säulengang führte, und gab einen lang gezogenen Seufzer von sich. Hier draußen, im Rosengarten des Weißen Hauses, konnte man es im Gegensatz zum Oval Office wenigstens aushalten, und so ertappte er sich bei dem Gedanken, dass er am liebsten alles stehen
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