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Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Titel: Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom
Autoren: Uwe Klausner
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Botschafter in Ostberlin einen Vertrauensmann beauftragt, Ulbricht in die sowjetische Botschaft Unter den Linden zu zitieren. So schnell wie möglich, wohlgemerkt.«
    »Vermutlich nicht zum ersten Mal, oder? Befehlsempfänger bleibt nun einmal Befehlsempfänger. Besonders, wenn man unter der Knute der Russen steht.«
    Dulles holte kurz Luft, dachte jedoch offenbar nicht daran, sich durch den Gleichmut des Präsidenten beirren zu lassen. Er hatte noch einen Trumpf im Ärmel, genug, wie er glaubte, um Kennedy damit aus der Reserve zu locken. »Durchaus zutreffend, was Sie da sagen, Sir«, räumte er zähneknirschend ein, redlich bemüht, die Häme des Justizministers zu ignorieren, »erlauben Sie mir jedoch, meine Ausführungen mithilfe weiterer Details zu ergänzen.«
    Der Präsident machte eine einladende Geste, lehnte sich zurück und bettete die Füße auf eine Stütze, die sich unter seinem aus den Planken der ›Resolute‹ 13 gefertigten Schreibtisch befand. »Nur zu, Allen – wir sind ganz Ohr.«
    »Freut mich zu hören, Mister President«, lautete die bissige Replik, woraufhin der CIA-Direktor einen Verschwörerblick mit Calabrese wechselte und sich herabließ, die Katze aus dem Sack zu lassen: »Um Ihre Geduld nicht über Gebühr zu strapazieren«, fuhr er in herausforderndem Tonfall fort, »nur so viel: Nach Auskunft der Abhörspezialisten der BOB 14 hat sich die Anzahl der Funksprüche, die von der sowjetischen Botschaft nach Moskau abgesetzt worden sind, seit jenem 6. Juli um ein Vielfaches erhöht.«
    »Auf den Punkt gebracht: Ihrer Meinung nach sind unsere Kumpels in Moskau wieder mal dabei, eine größere Teufelei auszuhecken.« Kennedy, trotz seiner Gebrechen stets zu Späßen aufgelegt, setzte ein treudoofes Lächeln auf und zwinkerte Dulles frohgemut zu. »Wer weiß, vielleicht bereiten sie auch nur ihren Abzug vor. Könnte doch immerhin sein, oder?«
    Dulles blickte kurz auf, rückte seine Brille zurecht und blätterte verdrossen in seinen Papieren herum. Ganz offensichtlich hatte ihn Kennedy auf dem falschen Fuß erwischt, und wäre Calabrese nicht für ihn in die Bresche gesprungen, hätte er nicht mehr weitergewusst. »Nein, Mister President«, bekräftigte der Chef von DECOP süffisant, »für so dämlich, wenn sie mir meine ungehobelte Ausdrucksweise erlauben, halte ich die Russen nun wirklich nicht.«
    »Tatsächlich?«, knirschte Robert Kennedy, der sich für den Seitenhieb auf sein cholerisches Naturell umgehend revanchierte. »Ich muss gestehen, Luke, Sie machen mich neugierig. Dass Sie Wirtschaftswissenschaften studiert haben, ist mir bekannt, aber nicht, dass Sie Diplom-Hellseher sind.«
    »Mit Verlaub, Herr Justizminister«, konterte das Alter Ego von Dulles, »um zu erahnen, was die Russen vorhaben, sind übersinnliche Fähigkeiten nicht vonnöten. Nur ein wenig Verstand – sonst nichts.«
    »Na, dann lassen Sie mal hören, Luke«, stachelte der Präsident die graue Eminenz der CIA an, um eine Retourkutsche seines Bruders, dessen Stirnrunzeln nichts Gutes verhieß, nach Möglichkeit zu vermeiden. Dann erhob er sich und begab sich zu seinem Schaukelstuhl, auf dem er sich mit einem Seufzer der Erleichterung niederließ. »Was haben die Russen Ihrer Meinung nach vor?«
    »Genau das ist der Punkt, Sir. Wie Direktor Dulles bereits ausgeführt hat, können wir das zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sagen.«
    »Die CIA und der Durchblick – eine amerikanische Erfolgsstory.«
    »Bitte tu mir den Gefallen und halt die Luft an, Bobby«, wies Kennedy seinen Bruder in ungewöhnlich scharfem Ton zurecht, bevor er sich wieder ganz auf Calabrese konzentrierte. »Ihre Hypothese, Chief Executive?«
    »Nun, ich denke, die Russen haben ihr Ziel, ganz Berlin in die Hand zu bekommen, noch längst nicht aufgegeben, Sir.«
    »Bedeutet?«
    »Das bedeutet, Mister President, dass Chruschtschow sämtliche Hebel in Bewegung setzen wird, um besagtes Ziel zu erreichen.«
    »Moment mal! Heißt das, Sie glauben, die Russen sind darauf aus, unsere Garnison in Berlin …«
    »Bei allem Respekt, Sir: Früher oder später wird Chruschtschow gezwungen sein, alles auf eine Karte zu setzen. Allein deshalb, weil seinen ostdeutschen Vasallen allmählich die Untertanen ausgehen. Oder davonlaufen, ganz wie man will. In hellen Scharen, derzeit mehr als Tausend pro Tag. Anders ausgedrückt – sollten sich meine und die Befürchtungen der übrigen Experten unserer Behörde bewahrheiten, kommen wir nicht umhin, den Russen die
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