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Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Titel: Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom
Autoren: Uwe Klausner
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Zähne zu zeigen. Wenn wir tatenlos zusehen, wie Chruschtschow und Co. Berlin überrennen, wird unser Ansehen irreparablen Schaden erleiden. Nicht nur bei den Berlinern, sondern überall auf der Welt.«
    Trotz der Schmerzen, die ihm mehr denn je zu schaffen machten, erhob sich Kennedy aus seinem Sessel, wandte sich ab und trat ans äußere der drei Fenster, von denen aus man einen ungehinderten Blick auf den Rosengarten genoss. Es dämmerte, und die Sträucher, Hecken und Zierpflanzen waren in bläulich rotes Licht getaucht, das ins Purpurfarbene mäanderte. Die Schatten der Nacht breiteten sich unaufhaltsam aus, mit einer Geschwindigkeit, dass ihn das Gefühl beschlich, die Zeit laufe ihm davon. »Ich darf doch wohl annehmen, Luke, Sie sind sich im Klaren, wozu das unweigerlich führen wird«, antwortete der Präsident und nahm ein Bild zur Hand, das seine Frau Jackie, seine Tochter und seinen exakt sieben Monate alten Sohn John zeigte. »Nämlich auf einen Krieg, der in kürzester Zeit eskalieren wird. Gut möglich, dass es dabei zum Einsatz von Atomwaffen kommen könnte. Die Frage ist, ob wir wirklich so weit gehen wollen, Gentlemen.«
    »Wenn Sie auf meine Meinung Wert legen, Sir: ja.« Calabreses voluminöser Rumpf straffte sich, und nach einem weiteren Seitenblick zu Dulles, der kaum merklich nickte, fügte er hinzu: »Über kurz oder lang, Mister President, wird es zum Showdown mit den Russen kommen. Wenn nicht in Berlin, dann eben anderswo. Besser jetzt, wo wir die öffentliche Meinung hinter uns haben, als irgendwann in ferner Zukunft. Wir werden es darauf ankommen lassen müssen, Sir. Ob wir wollen oder nicht.«
    »So, meinen Sie.« Kennedy warf einen erneuten Blick auf das Bild und stellte es wieder auf den Tisch vor dem Fenster, wo sich eine Reihe von Erinnerungsstücken befand, unter anderem ein Modell der ›Resolute‹ und mehrere Fotos seiner Familie. Im Anschluss daran wandte sich der Präsident wieder dem abendlichen, von schattenhaftem Zwielicht überlagerten Panorama zu und seufzte leise vor sich hin. Aus der Traum!, sinnierte er, vorbei der Traum vom Camelot 15 Amerikas, dem Weißen Haus, wo sich Intellektuelle, Literaten, Stars und Sternchen gleich reihenweise die Klinke in die Hand gaben. Wenn man Dulles und Calabrese so reden hörte, war der dritte Weltkrieg nicht mehr fern, eine Frage von Wochen oder nur wenigen Tagen. Das wiederum würde bedeuten, dass es weder Sieger noch Verlierer, Gewinner oder Unterlegene geben würde. Bei einem militärischen Konflikt, wie ihn diese beiden Vogelscheuchen da hinter ihm zu riskieren bereit waren, würde es Millionen Tote geben, beileibe nicht nur in Berlin. Und deswegen, nicht nur um der Berliner willen, würde er alles tun, um ihn zu verhindern. Selbst auf die Gefahr hin, als nachgiebig, schwach oder Feigling dazustehen.
    Ende der Diskussion.
    »Schluss mit der Taktiererei, Mister President«, meldete sich Dulles, der sein Missfallen kaum noch verbergen konnte, in aller Entschiedenheit zu Wort. »Das ist meine – genauer gesagt unsere – feste Überzeugung.« Dulles zog die Stirn in Falten und richtete den Blick auf den Präsidenten, der mit verschränkten Armen zum Fenster hinaussah. »Was mich zu der Frage bringt, welche Strategie wir in Bezug auf eine mögliche Eskalation der Lage in Berlin einschlagen sollten.«
    »Gar keine.«
    »Wie bitte?«
    »Sie haben richtig gehört, Allen: gar keine.« Kennedy drehte sich auf dem Absatz um und schlenderte auf das Sofa am anderen Ende des Raumes zu, von wo aus ein sichtlich indignierter CIA-Direktor jede seiner Bewegungen verfolgte.
    »Habe ich Sie gerade eben richtig verstanden, Sir – Sie …«
    »Haben Sie. Bevor mir keine stichhaltigen Beweise dafür vorliegen, was die Russen im Schilde führen, sehe ich keinen Grund, meine Strategie zu ändern.«
    »Und das bedeutet?«
    »Das heißt, wir werden so tun, als sei nichts geschehen. Solange der russische Bär sein Revier nicht verlässt, werden wir ihn gewähren lassen.«
    »Auch dann, wenn wir nicht wissen, was er im Schilde führt?«
    »Gerade dann«, stellte der Präsident unmissverständlich klar, bereits wieder auf dem Weg zur Tür, wohin ihm ein sichtlich zufriedener Justizminister vorausgeeilt war. »Gerade dann. So, Gentlemen – und nun bitte ich Sie, mich zu entschuldigen!«
     
    *
     
    »Typisch Kennedy!«, ereiferte sich Dulles, nachdem er das Weiße Haus verlassen und seinen vor dem Nordportal auf ihn wartenden Fahrer nach Hause geschickt hatte,
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