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Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Titel: Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom
Autoren: Uwe Klausner
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könnte. Am 6. August berichtete ein CIA-Informant, ein in der SED-Organisation seines Bezirks recht bekannter Arzt, er habe in einem Parteiausschuss gehört, dass für das nächste Wochenende »drastische Maßnahmen« zur Abriegelung West-Berlins geplant seien. Mehrere sowjetische und ostdeutsche Armeedivisionen seien in Gefechtsbereitschaft versetzt worden. Einem französischen Führungsoffizier erzählte ein Zahnarzt von einem Gespräch mit einem Patienten, der einen hohen Parteiposten bekleidete. Der Mann habe zu ihm gesagt: »Sie wollen Absperrungen mitten durch Berlin bauen.«‹
     
    (Aus: Frederick Taylor: Die Mauer. 13. August 1961 bis 9. November 1989. München 2009, S. 194)

SUMMERTIME
    Berlin
     
    (Samstag, 12. 08.1961)
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

4
    Berlin-Kreuzberg, Stresemannstraße | 00.05 h
     
    Ernst Blaschkowitz konnte sein Glück kaum fassen.
    Eigentlich hatte er nur in seine Stammkneipe gehen wollen. Auf ein Bier oder einen kurzen Plausch mit seinen Kumpanen. Einfach so. Wie an jedem Freitagabend, vor allem, wenn es so warm war wie heute.
    Doch dann war dort auf einmal diese Brünette aufgetaucht. Weiß der Teufel, woher. Und hatte sich neben ihn an den Tresen gestellt.
    Weiß der Teufel, wieso.
    Nicht etwa, dass Blaschkowitz ein Kostverächter war. Davon konnte wirklich nicht die Rede sein. Nur leider nicht mehr der Jüngste, schon über 50, um bei der Wahrheit zu bleiben. Er hatte kaum noch Haare auf dem Kopf, eine Warze am Kinn und zu allem Überfluss eine Trinkernase. Und er war auch nicht übermäßig hell im Kopf. Wie geschaffen, um bei den Damen abzublitzen.
    Aber davon hatte sich der steile Zahn neben ihm nicht abschrecken lassen. Im Gegenteil. Ernst, sonst eher ein zurückhaltender Mensch, war auf Anhieb wie elektrisiert gewesen. So ein Rasseweib wie dieser schlanke, vollbusige und knapp 30 Jahre alte Vamp, in den er sich auf Anhieb vergafft hatte, gab es nicht zweimal auf der Welt. Und in Kreuzberg sowieso nicht. Jede Wette.
    Kein Wunder also, dass der gelernte Buchhalter, auf den die Damenwelt kaum je einen Blick verschwendete, Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatte, um bei seiner Angebeteten, die ihn verflixt noch mal an eine Hollywooddiva à la Jane Russell erinnerte, auf jede nur erdenkliche Weise Eindruck zu schinden. Nur um festzustellen, dass dies im Grunde nicht nötig war. Denn nicht nur zu seiner, sondern zur Überraschung sämtlicher Anwesender waren seine Annäherungsversuche durchaus auf Gegenliebe gestoßen. Wer hier wen umgarnt hatte, war nach einer knappen Viertelstunde überhaupt nicht mehr klar gewesen, auch nicht, was eine mit sämtlichen Gaben der Natur ausgestattete Traumfrau an Ernst Blaschkowitz aus Kreuzberg eigentlich interessierte. Am allerwenigsten Ernst, für den es an diesem Abend, dem letzten seines eintönigen Lebens, nur noch die betörende, verführerisch duftende und ihn unentwegt umgarnende Unbekannte gegeben hatte.
    Bereits gegen zehn, also eine knappe halbe Stunde nach ihrem Eintreffen, hatte Natalja, so ihr angeblicher Name, den Vorschlag gemacht, auf ein Gläschen oder zwei in ihr Domizil zu fahren. Nur so zum Spaß. Zu diesem Zeitpunkt hatte Ernst schon einen in der Krone gehabt und der Verlockung, endlich wieder eine Frau abschleppen zu können, natürlich nicht widerstehen können. Wer hier wen abgeschleppt hatte, konnte man zwar nicht mit Bestimmtheit sagen, Ernst sowieso nicht. Aber was machte das schon. Er hatte Feuer gefangen, und der Verdacht, hier könne etwas nicht in Ordnung sein, wäre ihm nie im Leben gekommen. Wie auch, wenn man nicht mehr wusste, was die weibliche Anatomie alles zu bieten hatte. So eine Chance, die größte seines Lebens, hatte sich Ernst Blaschkowitz natürlich nicht entgehen lassen wollen. Ohne Rücksicht auf die Konsequenzen, die sich aus seiner Blauäugigkeit ergeben würden.
    Denn die gab es reichlich, obwohl der liebestrunkene Buchhalter keinen Gedanken daran verschwendet hatte. An die Fahrt mit dem Taxi konnte er sich später ohnehin kaum erinnern, an die Nobelherberge unweit des Potsdamer Platzes, in der seine Angebetete logierte, noch viel weniger. Etablissements wie dieses kannte er nur von außen, Schlafzimmer attraktiver Damen um die 30 allenfalls vom Hörensagen. Nein, auf die Idee, hier könne irgendetwas nicht in Ordnung sein, war Blaschkowitz einfach nicht gekommen. Ebenso wenig wie auf den Gedanken, dass in dem geräumigen, mit Himmelbett,
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