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Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom

Titel: Kennedy-Syndrom - Klausner, U: Kennedy-Syndrom
Autoren: Uwe Klausner
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haben keine Munition mehr, kämpfen am Strand. Bitte schickt Hilfe. Können nicht mehr lange durchhalten.«
    »Funkspruch vom 19. April, Sir. 11.18 Uhr Ortszeit.« Calabrese hielt das Band an, zog die buschige Braue hoch und fragte spitzzüngig: »Mehr davon, Sir?«
    Dulles gab keine Antwort. Stattdessen atmete er tief durch, bettete die Pfeife in den eigens für ihn angefertigten Aschenbecher aus echtem Bergkristall und rang sich ein knappes Nicken ab.
    Calabrese quittierte es mit einem Lächeln und drückte wieder auf die Starttaste.
    »Keine Munition mehr. Die Männer kämpfen bereits im Wasser«, tönte es aus dem Lautsprecher, und es schien, als stünde José Pérez San Román direkt neben ihm. »Wenn nicht bald Hilfe kommt, geht Blue Beach verloren.«
    »11.31 Uhr, Sir«, erläuterte Calabrese, stoppte das Band und sah Dulles über die Ränder seiner Brille hinweg an. »Ich denke, das genügt, oder?«
    Dulles schüttelte unwirsch den Kopf.
    »Befinde mich im Wasser. Keine Munition mehr. Sind umzingelt. Wenn Hilfe, dann innerhalb der nächsten Stunde.« Ein kurzes Rauschen, dann die Worte: »Wann wird eure Hilfe hier eintreffen und wie?« Sekunden später: »Warum helft ihr uns nicht? Zerstöre die gesamte Ausrüstung, inklusive Funkgerät. Panzer in Sicht. Habe nichts mehr, womit ich mich verteidigen kann. Setze mich in die Sümpfe ab. Kann mich nicht mehr …«
    »Danke, Chief Executive, das reicht.« Allen Welsh Dulles, von dem es hieß, ihn könne nichts aus der Fassung bringen, hatte genug gehört. Sichtlich mitgenommen, stützte er die Ellbogen auf die Tischplatte, bettete das Kinn auf die verschränkten, mit Altersflecken besprenkelten Hände und starrte minutenlang vor sich hin. Calabrese wusste, dass es unklug gewesen wäre, jetzt das Wort zu ergreifen, weshalb er einfach stehen blieb, die Augen niederschlug und sich nicht vom Fleck rührte.
    Er tat gut daran. Dulles war außer sich, und als es der sichtlich zufriedene Leiter von DECOP wagte, einen Blick auf seinen Vorgesetzten zu werfen, fuhr er instinktiv zusammen. »Kennedy!«, grollte der Direktor der CIA und hieb mit der Faust so heftig auf den Tisch, dass seine Pfeife aus dem Aschenbecher katapultiert wurde. »Und alles nur wegen diesem Kennedy!«
    Hochzufrieden über die Wendung des Gesprächs, musste Calabrese seine ganze Schauspielkunst aufbieten, um die Genugtuung, die er empfand, zu verbergen. »Kennedy?«, heuchelte er, »darf man fragen, was der Präsident mit …«
    »Jetzt tun Sie doch nicht so, Luke!«, empörte sich Dulles, sprang auf und stapfte mit hochrotem Gesicht vor dem Fenster hin und her. »Sie wissen doch ebenso gut wie ich, wem wir diese Schlappe zu verdanken haben. Erst wirft dieser irische Hosenscheißer unsere ursprünglichen Pläne über den Haufen, und dann kriegt er im letzten Moment kalte Füße.«
    »Nun ja, schließlich ist er der Präsident.«
    Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, blieb Dulles abrupt stehen. Von der Aura der Seriosität, die ihn umgab, war nichts mehr übrig geblieben, lediglich ein verbitterter alter Mann, der vergeblich um Fassung rang. »Mal ehrlich, Luke –«, schnaubte der Direktor der CIA, »sind Sie wirklich so naiv, oder tun Sie nur so? Gagarin, Kuba und am Ende vielleicht auch noch Vietnam – wir können uns keine Schlappe mehr leisten! Noch so ein Reinfall wie vor acht Tagen und kein Mensch nimmt uns mehr für voll – am allerwenigsten die Russen!«
    »So düster würde ich die Lage nicht sehen, Sir.« Calabrese spulte das Band zurück und steckte es wieder ein. »Kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen.«
    »Finden Sie? Kommt drauf an, in welche Fettnäpfchen diese Sippschaft im Weißen Haus noch tappt. Für Überraschungen ist dieser Appeaser 10 ja immer gut.« Dulles ließ seinem Ärger freien Lauf. »Zieht in letzter Minute die Luftunterstützung zurück. Ich darf gar nicht dran denken. Und warum? Weil er Schiss hat, Luke – ganz einfach Schiss. Vor Castro, Chruschtschow, den Russen und insbesondere vor der eigenen Courage. Glauben Sie etwa, die kriegen das nicht mit? Und ob! Noch so ein Reinfall, und die ganze rote Brut tanzt uns auf der Nase herum. Darauf können Sie wetten.«
    »Es sei denn, wir lassen uns etwas einfallen, Sir.«
    »Na, Sie machen wir vielleicht Spaß. Dazu müssten wir erst mal wissen, was Chruschtschow im Schilde führt.«
    Calabrese kratzte sich an der Braue und drückte seine Brille gegen die schweißglänzende hohe Stirn. »Genau das ist die Frage,
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