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In glücklichen Umständen

In glücklichen Umständen

Titel: In glücklichen Umständen
Autoren: Diane Cooper
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* 1 *

    «Vielleicht sind seine Beine einfach zu kurz», meinte ich schüchtern. Ich bezweifle, daß der Bräutigam zuhörte. Er stand tieftraurig an der Hausbar wie jemand, der schon am Traualtar versagt hat. Ich denke jedoch, daß wir beide das Gefühl hatten, in der Hochzeitsnacht selber hätte es bestimmt geklappt.
    «Sie meinen wohl, ihre sind zu lang», schnappte Mrs. Minze ein. Ihr Gesicht besaß den Farbton und die Konsistenz von Kartoffelbrei, und ihre Haare glichen einer doppelten Portion desselben. Ich verkniff mir die Bemerkung, daß sein Fell mir verlaust vorkam. Außerdem hatte er komische Ohren, wäßrige Augen und einen Tropfen an der Nase. Ich wagte zu sagen, daß wohl auch seine Papiere nicht ganz astrein wären, wenn ich sie in aller Ruhe studieren würde. Meine ungeteilte Sympathie galt der kleinen Tallulah, die jetzt ins Auto verbannt worden war: Wie mußte sie sich auf diesen großen Tag gefreut haben, und nun war alles vergebens!
    «Auf jeden Fall», fuhr Mrs. Minze triumphierend fort, «auf jeden Fall ist etwas mit ihrem Gesäß nicht in Ordnung.» Ich machte den Mund auf, um zu protestieren, aber sie fuhr schon fort: «Viel zu spitz!»
    «Andere haben es bewundert», behauptete ich kühn. «Und zwar viele.»
    Man hört von Vernunftheiraten, Mußheiraten, komplizierten Mitgiftverträgen. Von Familien, die sich verzanken wegen der Hochzeitskosten, der Zahl der eingeladenen Gäste, sogar der Qualität des Champagners oder der Wahl des Biers, aber daß der Neigungswinkel des Brautgesäßes das Faß zum Überlaufen brachte, hatte ich noch nie gehört.
    «Möchten Sie nicht etwas trinken, bevor Sie gehen?» fragte sie liebenswürdig, als ob die Beleidigungen nicht ins Gewicht fielen und dies nur ein Anstandsbesuch gewesen wäre. Mit einem gemurmelten Danke schüttelte ich den Kopf und fügte dann hinzu, daß es schon recht spät sei. Im Zimmer roch es nach gekochtem Pansen und Rheumasalbe. Es war klein und muffig, weder gemütlich nach warm. Rosetten in allen Farben, Silberpokale und kleinere Trophäen blitzten tapfer im trüben Licht, das durch einen staubigen Lampenschirm drang. Irgendwo im Hintergrund ertönte eine Kakophonie von Winseln und Kläffen und Bellen, und ich sehnte mich danach, zu Haus zu sein, wo die Küche nur nach Bens Kochkünsten roch und wo Hunde ihre Stimmen dazu benutzten, freudig zu bellen oder warnend zu knurren.
    Mrs. Minze hatte ihr Gesäß von der Ecke eines Tisches gehoben, wo es beinahe eine Vase mit sechs trauernden Chrysanthemen durch das Fenster katapultiert hätte. Wir gingen, eine gegenseitige, aber stumme Enttäuschung teilend, zur Haustür.
    Wir blieben vor einer schweren Chenilleportiere stehen und sahen uns an. Ich hatte gehofft, sie würde mir nicht die Hand reichen. Ihre Hand war faltig und fühlte sich an wie ein Pfund in der Sonne getrocknete Würstchen.
    «Vielleicht haben Sie sich im Tag vertan», meinte sie, «oder vielleicht hätte sie meinem Puddisey Pinto oder Puddisey Pussifoot Hambone besser gefallen. Ich glaube, sie sind nicht ganz so wählerisch.» Sie machte die Haustür ein paar Zentimeter weit auf. Es tat gut, wieder draußen zu sein, wo die Luft frisch und kalt und sauber war. Tallulah III., zu Haus Lulu genannt, stand ungeduldig und frustriert mit zwei ihrer wuscheligen Pfoten auf dem Rand des Instrumentenbretts und spähte durch die Windschutzscheibe. Ihr frischgebürstetes weißes Fell war zerzaust. Sie hatte ihre niedlichen Ohren gespitzt. Ich glaube, sie wollte mir sagen, daß sie den Bräutigam nie wieder zu sehen wünschte. Ich stieg ins Auto und gab ihr einen Kuß auf den Kopf. Ihre Nase war kalt und feucht, aber ohne die Spur eines Tropfens. «Du warst ein braves Mädchen, und du hast einen tollen Hintern», sagte ich und ließ den Motor an. «Du warst einfach zu gut für ihn.» Ich gab mir Mühe, all den Trost zu spenden, den man nur spenden kann, wenn die Hochzeit in letzter Minute geplatzt ist. Sie krabbelte auf meinen Schoß, winselte ein bißchen vor Erleichterung, daß ich wieder da war, und wir fuhren in den kalten Abend, der die Straßen schnell mit Glatteis überzog. «Vergessen wir einfach die ganze unappetitliche Sache, Liebling», sagte ich, und die verschmähte Braut schlief mit einem leisen Seufzer ein und begann ein wenig zu schnarchen.
    Eigentlich, fiel mir ein, hatte der Bräutigam sie ganz attraktiv gefunden, als sie einander vorgestellt wurden. Er war sehr freundlich zu ihr. Ich wußte nicht recht, was
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