Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition)
Autoren: Andy Remic
Vom Netzwerk:
wie ihre Schritte Spuren in dem frisch gefallenen Schnee hinterließen, als sie in dem leichten Nebel verschwand, der vom Selenau heraufzog.
    Wie hatte sie das nur erraten? Nachdenklich schloss er die Tür, die gegen den Rahmen schlug, weil sie sich in der Kälte verzogen hatte. Er hämmerte sie mit seiner massigen Faust zu und schob dabei achtlos den schweren Riegel vor. Dann ging er zum Kamin zurück, nahm den Becher mit dem Rosinenschnaps vom Sims und trank einen tiefen Schluck. Der Alkohol rann ihm durch die Adern wie ein alter Freund und hüllte sein Gehirn in Honig. Kell holte tief Luft und trat wieder zu dem breiten Fenster. Dort setzte er sich auf eine niedrige Bank und beobachtete die Händler vor ihren Buden mit den flatternden Markisen. Der Nebel kroch allmählich auch auf den Markt, wirbelte um Stiefel und hölzerne Pfosten. Kell blickte zu den Bergen, zum Schwarzspitz-Massiv, und sein Blick wurde unscharf, als er sich an die Jagd dort erinnerte; so wie er es fast jeden Tag tat.
    »In die Armee eintreten, von wegen!«, knurrte er und füllte seinen Becher aus einem Tonkrug nach.
    Als Kell aufwachte, kribbelten all seine Sinne, er hatte einen schalen Geschmack im Mund und fühlte sich benommen. Er fragte sich nicht nur, was ihn geweckt hatte, sondern auch, wie bei Satans Zähnen er überhaupt hatte einschlafen können. »Verdammter Schnaps!«, knurrte er und verfluchte sich für seine Schwäche und sein Alter. Er schwor sich, mit dem Trinken aufzuhören, obwohl er tief in seinem Herzen wusste, dass er sich niemals an diesen Schwur halten würde.
    Kell richtete sich auf der Fensterbank auf, rieb sich die Augen und gähnte. Er blickte hinaus, doch alles, was er erkennen konnte, war Nebel, dichter, weißer Nebel, der sich durch die Straßen wälzte und alles verdeckte. Er erkannte ein paar Steinmauern, ein paar verschneite Pflastersteine, aber mehr nicht. Ein schreckliches Weiß hatte sich ausgedehnt und füllte die ganze Welt aus.
    Kell trat an sein Wasserfass und trank drei ganze Kellen voll; das Wasser rann durch seinen grauen Bart und tropfte auf sein Baumwollhemd. Er rieb sich erneut die Augen; ihm war schwindlig. Als er sich umdrehte, sah er, wie der Nebel unter seiner Türschwelle hereingekrochen kam. Merkwürdig. Er blickte hoch zu Ilanna, seiner Axt, die über dem Kamin hing. Sie schimmerte, und ihr mattes Schwarz reflektierte das Licht der Flammen. Kell drehte sich erneut herum, als mit einem lauten Knacken das Glas des Fensters, das fast über die ganze Breite des Raums verlief, einen Riss bekam und mit einem metallischen Knistern zerbarst. Als wäre es einem großen Druck ausgesetzt gewesen. Nebel waberte in die Wohnung.
    Kell reagierte aus einem Reflex heraus, griff sich ein Handtuch, tränkte es in dem Wasserfass, legte es sich über Mund und Nase und knotete es sich dann hinter dem Kopf fest. Was machst du da, du verrückter alter Narr?, kreischte eine Stimme in seinem Kopf. Das ist doch kein Rauch von einem Feuer! Es ist Nebel! Er wird dir nichts tun! Aber ein Instinkt leitete ihn, irgendeine primitive Intuition; er hob den Arm und riss mit einem Ruck die langstielige Streitaxt aus ihren Halterungen. Die Riegel zerbrachen und fielen zu Boden, vor den Kamin …
    Eisrauch waberte um seine Stiefel, breitete sich im Raum aus und erstickte das Feuer. Es knisterte boshaft, bis es erlosch. Draußen auf der Straße schrie eine Frau gedämpft auf; der Schrei endete abrupt in einem Gurgeln.
    Kell zog die Augenbrauen zusammen und ging zur Tür … im selben Moment polterten hastige Schritte die offenbar vereiste Treppe herauf. Kell drehte sich zur Seite. Die Tür klapperte, und Kell schob lautlos den Riegel zurück. Im nächsten Moment flog die Tür auf und zwei Soldaten stürmten in seine Wohnung. Sie waren mit schwarzen Schwertern bewaffnet, ihre Gesichter bleich und weiß, ebenso wie ihr Haar, das sie zu Zöpfen geflochten trugen und das so weiß war wie der Eisrauch, der Kells Feuer gelöscht hatte.
    Kell grinste die beiden Männer an. Sie trennten sich, legten ein paar Schritte Abstand zwischen sich, während Kell zurücktrat. Der erste Mann stürzte sich auf ihn und zielte mit dem Schwert nach seiner Kehle. Kell jedoch wirbelte herum, duckte sich unter dem Schlag weg und schlug dabei seine Axt mit einem Rückhandschlag dem Albino gegen den Kopf, trennte einen fünf Zentimeter breiten Streifen von seinem ungeschützten Schädel ab. Der Mann taumelte zurück und weißes Blut spritzte durch seine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher