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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen
Autoren: Polina Daschkowa
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Hinterkopf gerichtet.
     »Geh rüber ins Zimmer. Ganz langsam. Hände hinter den Kopf.«
    Anton hob die Arme und drehte sich um. Nun zielte die Pistole auf seine Stirn.
    »Er tötet ohne jede Waffe, mit bloßen Händen, mit einem einzigen Schlag.« Die Worte des alten Anwalts hallten in seinem Kopf
     wider wie eine akustische Halluzination.
    Anton machte ein paar vorsichtige Schritte auf die Mündung zu. Skwosnjak wich zurück und ließ ihn vorbeigehen, ins Zimmer.
     Vera rührte sich nicht. Anton dünkte es, als atme sie nicht einmal.
    »Setz dich auf den Stuhl. Ja, so. Hände oben lassen. Vera, auf deinem Schreibtisch liegt eine Rolle Klebeband. Wickle ihm
     das um die Hände. Keine Angst, unter der Pistole wird er sich nicht mucksen.«
    »Nein«, sagte Vera leise.
    »Mädchen, meine Liebe, meine Gute, du hast schon genug Dummheiten gemacht. Denk an Sonja.«
    »Hat er auch das Klebeband mitgebracht?« fragte Vera leise.
    »Nein. Das Klebeband habe ich mitgebracht. Du warst nicht zu Hause, als ich’s gekauft hab, vor drei Tagen – für alle Fälle.
     Du hast es einfach vergessen. Du bist ja so zerstreut, meine liebe Vera. Sei ein kluges Mädchen. Tu, was ich dir sage. Dann
     können wir Sonja retten.«
    »Gib mir die Pistole, Fjodor«, sagte Vera ruhig.
    »Gut«. Skwosnjak nickte. »Komm zu mir. Komm her und nimm sie. Solange er nicht gefesselt ist, mußt du die Mündung auf ihn
     richten. Hast du verstanden? Schaffst du das? Wirst du keine Dummheiten mehr machen?«
    Vera tat ein paar langsame, vorsichtige Schritte. Skwosnjak legte ihr die Pistole in die Hand. Im selben Moment sprang Vera
     ein Stück zur Seite und richtete die Pistole auf ihn.
    »Wo ist Sonja?«
    »Vera, mein Sonnenschein, mein Liebes, beruhige dich.« Skwosnjak Stimme klang zärtlich und ein wenig heiser. »Er hat dir eingeredet,
     ich sei ein Bandit, ein Mörder. Womöglich hat er dir sogar irgendwelche Beweise vorgelegt. Das ist ein Bluff …«
    Anton saß reglos da. Er starrte wie gebannt auf Veras Hand mit der Pistole. Skwosnjak setzte sich seelenruhig in einen Sessel,
     den er so rückte, daß er hinter Anton saß.
    »Wo ist Sonja?« wiederholte Vera leise. »Erst will ich Sonja sehen, lebend und unversehrt, dann reden wir über alles andere.«
    »Ich hatte so gehofft, wir müßten keine Zeit verschwenden mit langen Erklärungen«, sagte Skwosnjak und seufzte traurig. »Ich
     hatte auf deinen gesunden Menschenverstand gehofft, Vera. Denk dran, die Zeit läuft. Sonjas Zeit. Hast du wirklich noch immer
     nicht begriffen, daß seine Leute sie entführt haben? Ich hatte dich doch gewarnt. Ich war nicht zufällig so mißtrauisch, als
     er gestern hier aufkreuzte und die Maskerade mit dem Computer aufgeführt hat. Du hast mich noch als Flegel beschimpft, dich
     bei ihm für michentschuldigt. Du wolltest unbedingt allein, ohne mich, herausfinden, wer dieser Kurbatow ist. Du hast dich mit ihm getroffen,
     ohne mir ein Wort davon zu sagen. Er hat dir lauter Schauergeschichten über mich erzählt, und das ist nun das Resultat. Er
     hat das Kind entführt. Hast du ihm die Faxe gegeben?«
    »Ja«, sagte Vera, »alle Informationen, die er haben wollte, hat er inzwischen.«
    »Offenbar nicht alle, wenn er Leute engagiert, um das Kind zu entführen. Er will noch irgend etwas von dir. Er sagt nichts,
     weil er nicht erwartet hat, mich hier vorzufinden, er dachte, du bist allein, hilflos und schwach, und er kann dir mühelos
     seine Bedingungen diktieren. Aber ich bin bei dir, Vera. Er wird uns gleich sagen, wo Sonja ist. Er wird sogar mit uns zu
     ihr fahren. Er hat jetzt keine Wahl mehr.«
    Anton bemerkte, daß Vera aus den Augenwinkeln vorsichtig auf ihre kleine Armbanduhr sah. Er selbst fühlte die Zeit auch ohne
     Uhr. Es waren höchstens vierzig Minuten vergangen, seit der alte Anwalt den General in der Petrowka angerufen hatte.
    »Stimmt, ich habe noch nicht alle Informationen«, sagte Anton langsam, »das Wichtigste fehlt. Die Informationen sind chiffriert,
     und mir fehlt der Schlüssel. Ich habe gestern in Ihrem Computer danach gesucht, Vera. Aber ich habe ihn nicht gefunden. Sie
     haben Ihr Faxgerät an den Computer angeschlossen, und der Schlüssel für den Code ist da drin. Ein Teil der Informationen ist
     direkt im Computer gelandet. Vom Fax in den Computer.«
    Vera warf ihm einen raschen Blick zu, ihre Lippen zitterten leicht.
    Diese kühne Improvisation konnte nur jemand schlucken, der nicht die geringste Ahnung von der Arbeit mit Computern
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