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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen
Autoren: Polina Daschkowa
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sind Sie nicht zu Vera oder mir gekommen und haben uns gewarnt?«
    »Das wollte ich erst. Aber dann habe ich mir gedacht, ihr würdet mir sowieso nicht glauben. Stell dir vor, da kommt ein Wildfremder
     zu dir und erzählt dir so was. Und selbst wenn ihr mir geglaubt hättet – was hättet ihr mit ihm gemacht?«
    »Wir wären zur Miliz gegangen. Und warum sind Sie nicht zur Miliz gegangen?«
    »Ich kann nicht zur Miliz gehen. Sie würden mich verhaften. Verstehst du, während ich ihn verfolgt habe, ihm auf den Fersen
     war, da habe ich … Jedenfalls, ich habe mehrere Menschen getötet. Und eben gerade noch zwei.«
    »Sie haben mich gerettet. Sie sind nicht schuld. Dafür kann man Sie nicht verhaften.«
    »Doch.«
    Sonja schwieg eine ganze Weile, schließlich fragte sie: »Den mit der offenen Hose, haben Sie den erschossen?«
    »Ich bin zufällig in das Haus gegangen, weil es anfing zu regnen. Und da hab ich gesehen … Ich weiß, was Asthma bedeutet.
     Hätte das Mädchen keinen Anfall bekommen, hätte ich vielleicht nicht auf ihn geschossen. Ich weiß ja, er ist krank, verrückt,
     aber ich konnte mich einfach nicht beherrschen.«
    »Ich hätte mich auch nicht beherrscht. Das Mädchen heißt Lida. Es geht ihr schon besser. Sie ist von der Intensivstation auf
     die normale verlegt worden. Haben Sie nur ihn getötet? Und diese beiden? Mehr nicht?«
    »Doch …«
    Zum erstenmal konnte Wolodja sich aussprechen. Seine Stimme klang dumpf und ausdruckslos. Sonja hörte mit angehaltenem Atem
     zu. Sie hatten längst Moskau erreicht. Wolodja fuhr nicht mehr ganz so schnell, um nicht von der Miliz gestoppt zu werden.
    »Und was wird, wenn Sie ihn getötet haben?« fragte Sonja leise, als er fertig war.
    »Ich weiß nicht. Wir sind gleich da. Du bleibst im Auto. Steig auf keinen Fall aus. Hast du eine Uhr?«
    »Nein.«
    »Schön. In der Jacke ist eine kleine Innentasche mit Reißverschluß, zieh den mal auf.«
    Vorsichtig holte Sonja ein rundes goldenes Döschen an einer dicken, kurzen Kette heraus.
    »Donnerwetter!« Sie stieß einen Pfiff aus. »Die ist ja richtig antik. Solche hat man früher in der Westentasche getragen.
     Geht die etwa noch?« Sie hielt sich die Uhr ans Ohr und hörte leises, aufgeregtes Ticken. »Darf ich sie mal aufmachen?«
    »Da an der Seite ist ein kleiner Knopf, da mußt du draufdrücken. Du wartest zwanzig Minuten. Wenn ich nachzwanzig Minuten nicht rauskomme, gehst du zur Miliz. Weißt du, wo die Miliz ist?«
    »Ja. Er wird doch Vera nicht töten, oder?«
    »Erst will er von ihr eine bestimmte Information. Er will etwas von ihr. Wenn er sie einfach töten wollte, hätte er das längst
     getan. Ich schaffe es noch. Sie wird ihm ja nicht sofort verraten, was er wissen will.«
    »Sie hat keine Ahnung, was er eigentlich von ihr will. Sie wollte ihn heiraten. Stellen Sie sich das mal vor, heiraten wollte
     sie ihn!«
    »Genug jetzt«, fiel Wolodja ihr ins Wort, »wir haben sehr wenig Zeit. Hör mir gut zu. Bei der Miliz sagst du die Adresse und
     daß Skwosnjak dort ist. Hast du verstanden? Skwosnjak.«
    »Und wenn er zuerst aus dem Haus kommt?« fragte Sonja vorsichtig.
    »Dann gehst du auch zur Miliz, aber paß auf, daß er dich nicht entdeckt. Du gehst hin und erzählst alles.«
    »Sie werden mir nicht glauben.«
    »Zuerst vielleicht nicht. Aber dann werden sie müssen. Und noch eins: Wenn ich nicht zurückkomme, dann behalte die Uhr. Aber
     mach sie nicht kaputt und verlier sie nicht, in Ordnung? Die hat schon mein Urgroßvater getragen.«
    »Sie kommen zurück«, sagte Sonja überzeugt, »das weiß ich genau.«
     
    »Semjon? Schön, von dir zu hören. Was macht die Gesundheit? Wie geht’s Mascha?« Der grollende Baß des Generals dröhnte am
     Telefon derartig, daß es im Ohr kitzelte.
    »Alles in Ordnung, Gena, danke. Sag mal, wer bearbeitet bei dir den Fall Skwosnjak?«
    Im Hörer trat eine Pause ein. Der General schnaufte.
    »Wieso?« fragte er schließlich.
    »Weil ich dir die Adresse nennen kann, wo deine Jungs ihn in den nächsten vierundzwanzig Stunden festnehmen können.«
    Der General lachte brummend und mit einem Pfeifen.
    »Hör mal, haben wir heute den ersten April?«
    »Gena«, sagte Katz entschieden, »wir beide sind zu alt für solche Scherze. Eben waren zwei junge Leute bei mir. Sie sind im
     Besitz von Informationen, die Skwosnjak unbedingt braucht. Was für Informationen das sind, wissen sie nicht, aber das spielt
     jetzt auch keine Rolle. Schreib einfach die Adresse auf, und
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