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Keine Pizza für Commissario Luciani

Titel: Keine Pizza für Commissario Luciani
Autoren: C Paglieri
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sein Dasein zu fristen, sondern um wirklich Großes zu bewirken. Das neue Jahr würde die
     Wende bringen, er, Ludovico Ranieri, würde endlich den Ertrag für all seine Arbeit und seine Opfer einfahren. Vor fünfzehn
     Jahren, in den Neunzigern, hatte er, angesichts des Zerfalls des Familienvermögens, seinen ersten Geniestreich |26| gelandet und auf den einzigen im Wachstum befindlichen Erwerbszweig des Landes gesetzt, einen Erwerbszweig, der sichere, ständig
     wachsende Einkünfte sowie Medieninteresse, Macht und bildschöne Frauen garantierte. Er hatte sich entschieden, ins kalte Wasser
     der Politik zu springen, was aussichtslos wirkte, ihm in Wahrheit aber ein neues Leben eröffnet hatte: Er hatte den Senator
     kennengelernt, hatte Elena geheiratet, war im akademischen Leben jemand geworden. Und jetzt, da die Partei bei den kommenden
     Wahlen auf einen Triumph zusteuerte, würde er seinen Schwiegervater dazu bringen können, ihn ins große Spiel einzuführen.
     Er hätte gerne den Sitz des Rektors mit dem des Abgeordneten vertauscht. Aber weder das eine noch das andere sah er als Endziel
     an. Mit knapp fünfzig Jahren stand ein Politiker gerade mal am Anfang seiner Karriere, und für die Zukunft träumte Ludovico
     Ranieri von einer Ernennung zum Minister für Kunst und Kultur. Sein Ehrgeiz war, die wahre Macht zu erringen, in den engen
     Kreis der Leute vorzudringen, die für das Land wirklich etwas bewirken konnten, und natürlich für sich selbst. Ihm fehlte
     es weder an Arbeitswillen noch an guten Ideen, er wartete nur auf eine Gelegenheit, einen Wink des Schicksals, der ihm den
     entscheidenden Anstoß geben würde. Und dieser Wink war nun gekommen, sagte er sich, während er die Augen schloss und an das
     zurückdachte, was er zwei Nächte zuvor entdeckt hatte.

|27| Fünf
    Marietto Risso
    Camogli, heute
     
    Marietto saß neben Gaetano am Tisch. Es gab Spaghetti Bolognese, die er mit Genuss verspeiste. Das Alter hatte ihm vieles
     genommen, den Appetit zum Glück jedoch nicht, und er freute sich schon auf das Weihnachtsessen mit Ravioli, Puter und Torte.
    »Leistest du uns wenigstens heute Abend Gesellschaft? Heute ist das Finale«, fragte Gaetano.
    »Welches Finale?«
    »Na, von SuperSanremo . Das ist wirklich nicht schlecht. Ich bin für Cristicchi, der hat mich neulich abends echt gerührt. Dieses Lied über die
     Irren … Hut ab!«
    »Das stimmt«, mischte sich Signora Irene ein, »ist wirklich hübsch.«
    »Ne, ne, ich bin für Albano«, erwiderte Signorina Gina. »Seine Stimme ist immer noch die schönste. Und außerdem, der Ärmste,
     nach allem, was er durchgemacht hat: zuerst die Tochter, dann die Frau und dann noch die andere Frau … Ich hoffe wirklich,
     dass er gewinnt.«
    Marietto hatte nicht die geringste Lust, hinunter in den Fernsehsaal zu gehen, aber am Ende siegte Gaetanos Hartnäckigkeit.
     Der Krimi, den die Nichte ihm geschenkt hatte, gefiel Marietto sowieso nicht, er spielte in Skandinavien, und von all dem
     Schnee bekam er eiskalte Füße. Ein bisschen fernzusehen mochte auch gegen diese merkwürdige Unruhe helfen, die insgeheim in
     ihm anwuchs, eine Art böser Vorahnung. Wenn du nur von Alten umgeben bist, dann musst du zwangsläufig an den Tod denken, sagte
     er sich, um sich zu beruhigen.
    |28| Während er Gaetano die Treppe hinabhalf, begegnete er Olga, einer ehemaligen Opernsängerin, die Jahr für Jahr, zeitgleich
     mit dem Sanremo-Festival, von heftigen Eifersuchtsanfällen gebeutelt wurde und sich in ihr Zimmer einschloss, um mit ihrem
     verstorbenen Ehemann zu konferieren. Gestützt auf den Arm von Schwester Fernanda, erklomm sie die Treppe wie in Trance.
    »Die bösen Geister, ich spüre sie«, sagte sie und bohrte ihre Augen in die von Marietto. »Sie kommen deinetwegen.«
    »Krepier doch, du alte Hexe!« Gaetano spreizte Zeige- und kleinen Finger ab, um Unheil abzuwenden.
    »Nach dir, alter Schwuli«, gab sie zurück. Sie starrte Marietto weiter an und flüsterte: »Du wirst sterben. Am Sankt-Stephans-Tag
     wirst du sterben.«
    »Haust du jetzt endlich ab? Schwester, bringen Sie sie weg, bevor ich …«
    »Hör nicht auf sie, Gaetano. Das lohnt doch gar nicht«, sagte Marietto und versuchte, den kalten Schauer zu ignorieren, der
     ihm über den Rücken gelaufen war.
     
    Die leeren Augenhöhlen der Frau starrten ihn an. Sie wirkte eher enttäuscht als wütend. Sie sprach nicht, aber ihre Stimme
     hallte in seinem Schädel wider.
    »Du hast nichts unternommen, um
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