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Keine Pizza für Commissario Luciani

Titel: Keine Pizza für Commissario Luciani
Autoren: C Paglieri
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mitgegeben, bla, bla, bla. Gequirlte Scheiße. Ein wahrheitsgetreuer Artikel hätte so geklungen: »Er hat bis in seine Neunziger
     gelebt, unverwüstlich wie Unkraut: Settimo Ranieri, ein Mann, fast frei von geistigen und moralischen Veranlagungen, dafür
     aber mit gewaltigem Geschäftssinn gesegnet. Vor allem, was seine eigenen Geschäfte anging. Diesen hatte ihm tatsächlich sein
     Vater vererbt, Oreste Ranieri, ein Wurstwarenhändler, der durch den Schwarzmarkt in Kriegszeiten und mit dem Baugewerbe in
     den Fünfzigern reich geworden war. Settimo hatte bis zum dreißigsten Lebensjahr absolut nichts auf die Beine gestellt, bis
     auf einen mühseligen Studienabschluss in Kunstgeschichte, und auch diesen nur dank der Unterstützung eines Mädchens, das er
     vor dem Traualtar hatte stehenlassen. Während sein Vater und die Brüder auf dem Bau schufteten, hatte Settimo sein Erbteil
     genommen, um in Rom ein Antiquitätengeschäft zu |24| eröffnen, Deckmantel für die illegale Verschiebung etruskischer Fundstücke nach Amerika; im Jahre des Herrn 1958 hatte er
     die Tochter eines Handschuhfabrikanten geheiratet, die er mit Methode und Befriedigung betrog, bis die Ehescheidung per Volksabstimmung
     eingeführt wurde, woraufhin sich ihre Wege für immer trennten und Settimo die Gelegenheit bekam, sein gesamtes Geld zu verjuxen.
     Ludovico war sein einziger Sohn und zugleich die größte Enttäuschung seines Lebens. Vollkommen frei von jedwedem Geschäftssinn,
     vernarrt nur in Bücher und Kunst, hatte er sechs Jahre damit vergeudet, einen Studienabschluss in Literatur und Kunstgeschichte
     zu erwerben, und weitere zehn damit, einer Professur an der Universität von M. hinterherzurennen. Nur dank der Beziehungen
     seines Schwiegervaters, eines Senators, dessen einzige Tochter er geheiratet hatte, hatte er endlich die ersehnte Dozentur
     ergattert und war dann zielstrebig Stufe für Stufe aufgestiegen zum ordentlichen Professor und dann zum Institutsleiter, bis
     er sich vor einigen Monaten – dem Hirnschlag des historischen Gründers sei Dank – als Stellvertreter in den roten Ledersessel
     des Rektors setzen durfte, ein Amt, das mit dem neuen akademischen Jahr endgültig ihm gehören würde. Dessen ungeachtet war
     sein Vater Settimo kein bisschen stolz auf ihn, er betrachtete ihn als eine Art Parasit, der im Grunde weiterhin auf Kosten
     des Schwiegervaters lebte, welchem er noch nicht einmal einen männlichen Enkel geschenkt hatte, nur zwei Mädchen, verwöhnte
     Heulsusen, die ebenso sagenhaft hässlich waren wie ihre Mutter.«
    Ludovico wusste, dass er nicht den Geschäftssinn von Vater und Großvater geerbt hatte, aber daraus konnte ihm keiner einen
     Vorwurf machen. Ebenso wenig konnte er etwas dafür, dass in diesem im Niedergang befindlichen Land sämtliche Erwerbszweige
     in der Krise steckten. Die |25| Baufirmen seiner Cousins hatten längst dichtgemacht, die Preise für Antiquitäten und Kunst waren in den Keller gerutscht,
     und selbst sein seliger Großvater hätte wohl Mühe gehabt, mit seiner Wursttheke über die Runden zu kommen. Sich um eine akademische
     Laufbahn und ein sicheres Einkommen zu bemühen, war eine kluge Entscheidung gewesen, ebenso eine Frau zu heiraten, die zwar
     wahrlich nicht mit Schönheit, aber mit einem soliden Charakter und einer reichen Familie gesegnet war. Nur ein alter Giftzwerg
     von neunzig Jahren konnte seine wunderbaren Töchter, Maria Rita und Maria Chiara, als ein Missgeschick betrachten und dem
     ersehnten männlichen Enkel nachweinen.
    Im Gegensatz zu seinem Vater wusste Ludovico, wie man eine Familie zusammenhielt. Er hatte Sinn für Verantwortung, Gerechtigkeit
     und Anstand. Auch für Verzicht. Er kannte das Leben und seine Versuchungen, wusste aber, wann man nein zu sagen hatte. Und
     wenn er jetzt an die halb leergeräumten Zimmer seines Vaters dachte und an die Gerichtsbeamten, die wie Schakale darin herumschlichen
     und nach irgendwelchen Fleischresten suchten, in die sie sich verbeißen konnten, dann sagte er sich, dass der Alte sein Leben
     zwar bestimmt ausgekostet, dafür aber nur Schulden und Beschuldigungen zurückgelassen hatte. Wer von beiden war also letztlich
     der Versager? Er schmiss die Zeitung auf den Boden. Zwanzig Zeilen. Für seinen Vater war selbst das noch zu viel. Wenn ich
     einmal dran bin, dann will ich eine ganze Seite. Oder auch zwei, warum nicht? Seit seiner Kindheit spürte er, dass er nicht
     geboren war, um wie ein dumpfes Tier
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