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Keine Pizza für Commissario Luciani

Titel: Keine Pizza für Commissario Luciani
Autoren: C Paglieri
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Euro drauflegen wollen, Commissario, für das Weihnachtsessen gibt es noch freie Plätze.
     Wir gehen in eine Trattoria im Scrivia-Tal. Antipasti, drei erste, drei zweite Gänge, Dessert, Panettone, Wein und Sekt. Alles
     inklusive. Ein Sonderpreis für uns, aber mit der Anmeldung pressiert es, die reservieren nämlich einen Saal nur für uns, und
     mehr als fünfzig passen da nicht rein.«
    |18| Marco Luciani hatte eine flüchtige Vision der Hölle von Gustave Doré, ein Weihnachtsessen von fünf Stunden, mit all den angetrunkenen
     Kollegen, den überschminkten, mit Klunkern behängten Ehefrauen und quiekenden Kindern, die im Saal Fangen spielten. Und um
     sechs Uhr abends, zum krönenden Abschluss, eine gepflegte Kotzerei auf den eisglatten Serpentinen der Valle Scrivia.
    »Ich würde sehr gerne kommen, Iannece«, sagte er mit zerknirschter Miene, »aber wie du weißt, ist mein Vater dieses Jahr gestorben
     … Die Stimmung zu Weihnachten wird diesmal etwas gedämpft ausfallen, und da werde ich meiner Mutter Gesellschaft leisten müssen.«
    »Dann bringen Sie sie doch einfach mit! Da kommt sie auf andere Gedanken. Besser, als wenn Sie zwei allein zu Hause rumhocken
     und Trübsal blasen. Und vielleicht bringen wir sogar Ihnen, Commissario, die achtzig Gramm Fett auf die Rippen, die einem
     so gut über den Winter helfen. Ich versuche in der kalten Jahreszeit immer so sieben, acht Kilo über meinem Wettkampfgewicht
     zu liegen, aus rein gesundheitlichen Erwägungen.«
    Marco Luciani warf einen missbilligenden Blick auf die Taille seines Assistenten, die mehr und mehr einem Laib Parmesankäse
     ähnelte. Dann sah er das eigene Spiegelbild in der Scheibe des Automaten: Seine Brust war nicht breiter als ein Oberschenkel,
     und die dürren Beine erinnerten an die Stelzen eines Akrobaten. Mit seinen knapp siebzig Kilo auf fast zwei Meter Länge war
     er auf diesem Gebiet wahrlich der Falsche, um anderen kluge Ratschläge zu erteilen.
    »Entschuldige, Iannece, ich muss jetzt wieder an die Arbeit.«
    »Denken Sie wenigstens über Silvester nach, Commissario. Wir haben ein schönes Galamenü im Val d’Aveto organisiert. Bis zwölf,
     eins wird gespachtelt, dann werden die Tische zur Seite geräumt und das Tanzbein geschwungen. |19| Und wenn es weiter so kalt bleibt, dann liegen da mindestens zwei Meter Schnee, und so kommen auch die Kinder auf ihre Kosten.«
    Marco Luciani war bereits im Flur und hob eine Hand zum Zeichen des Grußes. Für Silvester hatte er ganz andere Pläne: Er wollte
     die Wohnungsräumung feiern, mit einer Tasse Tee, einer halben Scheibe Panettone ohne Rosinen und einem Teelöffel Sahne – als
     Glücksbringer –, und um halb elf ins Bett gehen.
     
    Zur Mittagsstunde, als er gerade in seinem Büro die Zeitung las, wurde an den Türrahmen geklopft.
    »Darf ich stören?«, fragte die nervige Stimme seines neuen Stellvertreters.
    »Komm nur, es ist offen, es ist immer offen«, murmelte er.
    Das runde rosige Gesicht von Giorgio Livasi lugte zum Büro herein. »’tschuldige, Chef, wollte nur mal fragen, ob du meine
     Mail schon gelesen hast.«
    »Welche Mail?«
    »Die ich dir vor fünf Minuten geschickt habe.«
    Der Kommissar spürte eine gewisse Gereiztheit in sich aufsteigen. »Nein, die habe ich noch nicht gelesen, Livasi«, sagte er
     mit einem Fingerzeig auf die Papiere, die er vor sich liegen hatte, wie um zu sagen: Ich bin wahnsinnig beschäftigt.
    Sein Gegenüber setzte eine verlegene Miene auf. »Ach so, okay, war nicht eilig, ich schaue dann später noch mal rein.«
    Wenn es nicht eilig war, warum kommst du dann hier angetrabt?, dachte Marco Luciani.
    Er wartete, bis Livasi die Tür wieder angelehnt hatte, schlug die Zeitung zu und fand sich damit ab, dass er ein paar Berichte,
     die er seit Tagen auf dem Schreibtisch hatte, |20| in akzeptablem Italienisch abschreiben musste. Ein 19-jähriger Ecuadorianer, der vor einer Diskothek einen Nebenbuhler erstochen
     hatte, und ein klassischer Fall von Mord mit anschließendem Selbstmord: ein 42-jähriger Steuerberater, der seine Exfrau umgebracht
     und sich dann selbst aus dem Leben befördert hatte. Einfache Fälle, in wenigen Stunden zu lösen. Dahinter steckten nur Wut
     oder Verzweiflung, oder blindwütiger Affekt, keine Intelligenz, kein ausgeklügelter Plan, um Spuren zu tilgen oder die Polizei
     an der Nase herumzuführen. Zwar landeten in solchen Fällen die Schuldigen im Gefängnis oder richteten sich selbst, aber für
     Luciani war das
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