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Keine Angst vor Anakondas

Keine Angst vor Anakondas

Titel: Keine Angst vor Anakondas
Autoren: Lutz Dirksen
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vollkommen unwichtig.
    Zunächst steuern wir die andere Seite des Flusses an. Hier beratschlagen wir, wie wir weiter vorgehen. Um die Situation besser einschätzen zu können, paddeln Mick und Bill zuerst langsam den Strom hinauf. Es geht darum, auszukundschaften, ob es möglich ist, vom Land aus an die Riesenschlange heranzukommen. Die beiden erklettern sodann die mehrere Meter hohe Uferböschung auf der anderen Seite und schleichen sich an die Anakonda heran. Die nimmt keine Notiz von unseren Scouts und bleibt zum Glück bewegungslos liegen. Nach ihrer Rückkehr fällt das Urteil der beiden Kundschafter eindeutig aus: »Keine Chance.« Die Anakonda wäre längst im Fluss verschwunden, bis wir die matschige Böschung bis zu ihrem Platz hinuntergeklettert wären.
    Es ist bereits später Nachmittag, und in der Ferne braut sich erneut ein bedrohliches Gewitter zusammen. Es ist absehbar, dass sich in kurzer Zeit die dunkle Wolkenfront vor die Sonne schieben und sich wieder kühles Nass über uns ergießen wird. Ich denke an die alten Edgar-Wallace-Filme, bei denen gespenstische Gewitter ein Unglück ankündigen und die Spannung steigen lassen. Ist es ein Vorzeichen, das uns warnt? Wir haben indes keine Zeit, darüber nachzudenken, denn wir vermuten, dass die Anakonda bei Gewitter ihren Sonnenplatz verlassen wird.
    Kurz diskutieren wir. Dann steht der Plan. Wir versuchen die Schlange vom Boot aus zu fangen. Das ist kritisch, da wir nur zu viert sind. Wir werden die Anakonda überraschen, indem wir ganz plötzlich mit dem Boot vor ihr erscheinen. So versperren wir ihr den Fluchtweg ins Wasser. Ich werde alles daransetzen, ihr eine Seilschlaufe um den Kopf zu legen, die an einem Stock befestigt ist. Nach dem Zuziehen der Schlaufe wollen wir sie, Kopf voran, mit gemeinsamen Kräften ins Boot ziehen.
    Bevor wir starten, bauen wir am Ufer gegenüber eine Kamera auf, richten sie auf die Anakonda und lassen sie laufen. Wir besteigen unser Boot und lassen uns bewegungslos abtreiben. Erst als wir aus dem Sichtfeld der Anakonda verschwunden sind, kreuzen wir den Fluss. Der Außenborder wird gestartet. Das knatternde Motorengeräusch ist nicht weiter problematisch, da sie uns ja, wie gesagt, nicht hören kann. Die Gehörknöchelchen werden im Schlangenschädel nicht mehr dazu verwendet, Schall weiterzuleiten, sondern dazu, das Maul noch weiter aufzureißen, um große Beute als Ganzes zu verschlingen.
Das Anakonda-Patt
    Dicht am Ufer preschen wir zum Liegeplatz der Anakonda vor. Noch kann sie uns nicht sehen, da die ins Wasser hängenden Sträucher ihr die Sicht versperren. Was wird geschehen? Eine unerträgliche Spannung hat mich gepackt. Eine Art Lähmungszustand. Ähnlich muss sich ein Fußballer fühlen, bevor er zu einem spielentscheidenden Elfmeter antritt. Nur dass es sich bei ihm um einen Sport handelt, wir uns jedoch weit draußen in der Wildnis in wenigen Augenblicken auf den Kampf mit einer mordsmäßig großen Anakonda einlassen werden. Dann ist es so weit, die Anakonda taucht vor uns auf. Sie hebt sofort den Kopf in unsere Richtung und scheint verwirrt zu sein. Der Überraschungseffekt jedenfalls ist gelungen. Da ich vorne im Bug mit Stock, Seil und Schlaufe stehe, schaut sie in meine Richtung. Ihre Augen blitzen mich an. Es ist ihr anzumerken, dass sie beunruhigt ist. Ihre muskulösen Körperschlingen bewegen sich. Ich bin jetzt genau vor ihr, vielleicht einen Meter von ihrem Kopf entfernt. Das ist der Augenblick der Entscheidung, denke ich. So schnell wie möglich stoße ich den Stock vor, um die darunter hängende Schlaufe um ihren Kopf zu bugsieren. Als Nächstes bräuchte ich nur noch an dem Seil zu ziehen, und die Schlaufe würde sich fest um ihren Hals legen. Wir hätten sie, und könnten sie ins Boot ziehen. Doch Theorie und Praxis sind oft wie Feuer und Eis. So auch hier, denn die Anakonda reißt ihren Kopf blitzschnell nach hinten, die Schlaufe baumelt im Leeren. Hat sie geahnt, was ich vorhatte, oder war es der Reflex eines Raubtieres? Jedenfalls kann ich ihren Kopf vom Boot aus nicht mehr erreichen.
    Die Anakonda wirkt durch unser störendes Auftauchen in ihrer unmittelbaren Nähe gereizt und zieht es vor, sich seitlich davonzumachen. Sie kriecht flott auf die ins Wasser hängenden Äste und Zweige zu. Schon taucht ihr Kopf ins trübe Flusswasser ein und verschwindet in der braunen Flut.
    Dann traue ich meinen Augen kaum. Mick springt plötzlich in den Fluss und kämpft sich durchs Wasser ans Ufer vor. Er
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