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Keine Angst vor Anakondas

Keine Angst vor Anakondas

Titel: Keine Angst vor Anakondas
Autoren: Lutz Dirksen
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klebte ein Pflaster darüber und war bereit, den Vorfall schnell zu vergessen. Die Leute um mich herum allerdings, die das beobachtet hatten, erwarteten besorgt, dass ich bald umfallen würde. Da nützten auch alle Beteuerungen nichts, dass die Schlange ungiftig sei.
    Von einer Anakonda wurde ich zum ersten Mal 1998 gebissen. Ich erläuterte gerade einem bolivianischen Kollegen ein spezielles Schuppenmerkmal am Maul einer 1,80 Meter langen Beni-Anakonda. Er hielt die Anakonda in seinen Händen – und dabei bin ich ihrem Kopf mit meinem Zeigefinger zu nahe gekommen. Völlig überraschend biss sie blitzschnell kräftig in meinen Finger. Reflexartig zog ich meine Hand zurück. Dadurch rissen ihre Zähne Wunden, die stark bluteten. Nachdem die Blutungen endlich gestoppt waren, schaute ich mir mit einer gewissen Faszination die ungefähr 20 nadelstichartigen Bissstellen an meinem Finger an. Sie waren in kleinen Reihen angeordnet. Immerhin: Ich bekam dadurch einen unwiderlegbaren Beweis geliefert für ein Detail des Kieferbaus der Riesenschlangen, das nur in speziellen Fachbüchern beschrieben steht: Sie haben innen im Oberkiefer eine zweite Zahnreihe, die sich anhand der Bissspuren an meinem Finger abzeichnete. Sich beißen zu lassen wäre also eine ideale Methode, um Biologiestudenten die Kieferanatomie der Riesenschlangen nachhaltig einzuprägen. Ärgerlich an meinem Erlebnis war nur, dass der Anakonda eine Zahnspitze abgebrochen war und dies erst Wochen später wegen einer dadurch entstandenen Eiterbeule von mir entdeckt wurde.
Marías Biss
    Auch María biss mich in die Hand. María war allerdings kein Bond-Girl, sondern ein frei lebendes, 1,50 Meter langes Weibchen der Paraguay-Anakondas. Diese Art ist kleiner als die weiter nördlich beheimatete Große Anakonda. María nimmt an einem Forschungsprojekt teil, durch das die Lebensgewohnheiten der Anakondas erforscht werden sollten. Ihren Namen gab ihr der argentinische Biologe Tomás Waller. Schon lange stand ich in regem Austausch mit diesem Kollegen und freute mich darauf, ihn und seine Anakondas endlich kennenzulernen. 2002 besuchte ich ihn in Argentinien. Ein Kamerateam eines Privatsenders begleitete mich, um eine Dokumentation über sein Anakonda-Projekt zu drehen.
    María trug einen Sender, mit dem sie zielgenau geortet werden konnte. Die Batterie des Senders war jedoch fast leer und sollte ausgetauscht werden. Das bedeutete: anpeilen und sie einfangen. Das Kamerateam war begeistert. Endlich wieder Action, nachdem wir zuvor kein Glück dabei gehabt hatten, eine andere Anakonda des Projekts mit Namen Vicky aufzuspüren. Wir hatten uns Vicky mit Antenne und Empfänger genähert, doch sie war zu tief in Wurzelhöhlen am Ufer eines Sees versteckt. Mein Kamerateam war enttäuscht. Ich hatte meinen ganzen Arm in die Höhle gesteckt und versucht, die Anakonda zu ertasten. Dabei hielt mir das Team das Mikro vor die Nase, und ich sollte darüber sprechen, was ich da mache und ob ich Angst habe, gebissen zu werden. Wer würde das schon vor laufender Kamera zugeben! Ich verneinte.
    Die Filmcrew hoffte, dass mein Arm um eine daran hängende Anakonda verlängert wäre, wenn ich ihn wieder aus der Höhle ziehen würde. Eine blutüberströmte Hand mit einer in die Finger verbissenen Anakonda, das wäre gut für die Einschaltquoten gewesen, erklärte mir der Kameramann später …
    Doch zurück zu María: Sie hatte es sich in einem flach abfallenden See bequem gemacht, wie uns das Pling des Peilgerätes mitteilte. Wir folgten dem Signalton ungefähr 15 Meter weit in das hüfthohe kalte Wasser hinein. María musste uns längst entdeckt haben und war auf Tauchstation gegangen. Als das Pling des Peilgerätes bei senkrechter Stellung am lautesten zu hören war, bedeutete dies: Die Schlange war direkt unter uns! Mit unseren Armen tasteten wir in die trübe Tiefe. Es stellte sich dann heraus, dass sie sich gut einen Meter unter der Wasseroberfläche zwischen großen, inselartigen Grasbüscheln verbarg. Patricio, ein Mitarbeiter des Projektes, bekam sie in die Hände und hob sie langsam aus dem Wasser. Das passte María gar nicht, und als der Kopf zum Vorschein kam, war deutlich die Angriffsstellung der Anakonda zu erkennen. Den vorderen Körperteil hielt sie s-förmig, so konnte sie nach vorne schnellen und zubeißen. Der Angriff auf Patricio stand direkt bevor. Sofort versuchte ich, sie hinter dem Kopf zu fassen. Da drehte sich María erstaunlich flink zu mir um. Und schoss vor. Gut
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