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Keine Angst vor Anakondas

Keine Angst vor Anakondas

Titel: Keine Angst vor Anakondas
Autoren: Lutz Dirksen
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Krokodilen oben am Kopf, sodass sie kaum wahrnehmbar im Wasser lauern können. Am liebsten verdrücken sie Säugetiere, Reptilien und Vögel. Wenn sie noch klein sind, fressen sie aber auch schon mal Fische und Amphibien.
    Vielleicht beobachtet sie uns ja, ohne dass wir es bemerken. An mir nagt der unrealistische Gedanke, dass dieser Situation eine besondere Pointe zugrunde liegt: Kaum, dass wir dann diesen Ort verlassen haben, wird eine gigantische Anakonda aus den Fluten an dem Baumstamm emporkriechen und sich hämisch grinsend in der Sonne aalen. Und es macht mir in diesem Moment wenig Mut, dass Anakondas nicht wirklich grinsen können.
    Diese Art von Gedanken wird durch die Tatsache verstärkt, dass wir schon seit mehreren Wochen erfolglos nach Anakondas suchen. Mit Mick und Bill, die beide von Ureinwohnern abstammen, sowie Jörg bin ich längst viel weiter den Fluss im ehemaligen British Guyana hinaufgefahren, als ursprünglich geplant war. Zwei Boote inklusive Besatzung haben wir im Basiscamp zurückgelassen, einem Gebiet, in dem wir ursprünglich die Anakondas finden und filmen wollten. Mit nur einem Boot haben wir weitere Wasserfälle und Stromschnellen bezwungen. Wir sind seit einer gefühlten Ewigkeit auf dem Fluss unterwegs und haben keine einzige Anakonda gesehen. Das ist frustrierend. Tag um Tag haben wir die Ufer des Stroms mit unseren Blicken nach den Riesenschlangen durchforstet. Der Rücken eines jeden von uns meldet mittlerweile immer wieder das Bedürfnis nach einem weichen Sofa oder einer wohltuenden Massage an – vergeblich. Rückenlehnen sind ein Luxus, den unsere Boote nicht bieten.
    Große Anakondas müssten doch nicht wie Nadeln, sondern wie Baumstämme im Heuhaufen zu entdecken sein, denke ich, mal wieder vor mich hin brütend. Ehrfürchtig betrachte ich den perfekten Platz, auf dem nur eines fehlt: eine fette Anakonda. Optimale Orte wie diesen hier habe ich schon viele gesehen – sehr viele. Und es schmerzt mich jedes Mal erneut, wenn sich wieder einmal keine Anakonda auf einem für die Kamera genialen Sitzplatz, wie ich ihn gerade vor mir habe, niedergelassen hat. Die schlangenlose Landzunge kommt mir vor wie eine sommerliche Blütenwiese ohne Schmetterlinge und Bienen oder wie die Serengeti ohne Gnu- und Zebraherden.
    Wir sind ratlos. Seit Wochen fahren wir den Fluss entlang, ohne bisher auch nur die Spur einer Anakonda erblickt zu haben. Wir verstehen die Welt nicht mehr. Sollte es an der etwas verregneten Trockenzeit liegen? Oder kommen Menschen sogar bis in diese entlegene Gegend, Jäger vielleicht, die es auf die Häute der Anakondas abgesehen haben? Meine Hoffnung, eine intakte Anakonda-Population anzutreffen, sinkt von Tag zu Tag.
Die Liebe war noch nie ein leichtes Spiel
    Eine intakte Population zur richtigen Jahreszeit. Das wäre der Hauptgewinn schlechthin! Dann könnten wir auch das unvergleichliche Liebesleben der Anakondas beobachten. Zunächst das Übliche: Die Weibchen dieseln ihre Umgebung mit einem verlockenden Liebesparfüm ein. Die Männchen können den Pheromonen nicht widerstehen und strömen in Scharen herbei. Dann aber wird es speziell: Sie alle schlingen sich um das viel größere Weibchen. Bis zu 15 Männchen sind in diesen Paarungsknäueln schon gezählt worden. Die Männchen versuchen sich in die für die Paarung richtige Position zu quetschen und die Konkurrenten wegzudrücken. Das sieht dann aus, als würden armdicke Spaghetti sich gegenseitig umarmen. Für das Weibchen ist das eine anstrengende Angelegenheit. Über vier Wochen kann dieses liebestolle Knäuel zusammenbleiben. Die Weibchen lassen sich dabei auf mehrere Männchen ein. Während ihrer Paarungszeit und Trächtigkeit fressen sie nicht. Nach der Geburt der kleinen Schlangen können sie daher bis zu 40 Prozent ihres ursprünglichen Gewichts verloren haben. Kein Wunder, dass die Weibchen anschließend schon mal ein Jahr mit der Fortpflanzung pausieren und Kräfte sammeln für die folgende Saison.
    Auch die rudimentären Beine in Form von zwei beweglichen Spornen rechts und links der Kloake spielen bei der Paarung eine Rolle. Die Beckenknochen sowie die Oberschenkelknochen in den Spornen gelten als sicherer Beweis für die Abstammung der Schlangen von vierbeinigen Echsen. Die Männchen kitzeln und kratzen die Weibchen mit diesen Spornen bei der Paarung. Es wurde beobachtet, dass diese Stimulation die Weibchen dazu veranlasst, eine für das Männchen günstigere Paarungsposition einzunehmen. Wer weiß,
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