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Keine Angst vor Anakondas

Keine Angst vor Anakondas

Titel: Keine Angst vor Anakondas
Autoren: Lutz Dirksen
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die Kamera in der Sonne geglänzt und ihn irritiert hat. Erneut schnuppert er mit seinen breiten Nüstern. Ist das etwas Lebendiges? Egal! Das vermaledeite Etwas liegt ihm im Weg und regt ihn auf. Für seine Masse unerwartet behände springt er wieder vor der Minikamera hin und her. Dann senkt er den Kopf. Sein spitzes Horn saust haarscharf an der Kamera entlang. Dicht daneben ist auch vorbei. Noch immer keine Reaktion vom Kästchen. Es geht darum, sich zu beweisen. Der Jungbulle ist noch unerfahren und muss sich die Hörner abstoßen. Da kommt ihm jede Gelegenheit recht. Nun reicht es ihm aber. Er will sich abreagieren, egal wie.
    Mit Schwung stößt er die Minikamera mit der Schnauze zur Seite. Endlich bewegt sich das Ding. Das Überschlagen der Kamera nutzt er sofort für seinen nächsten Angriff. Dieses Mal trifft er, rammt die kleine Kamera mit seiner Stirn in die niedrige Vegetation aus Moosen und Flechten. Das sieht aus wie bei einem Kätzchen, das mit seiner Pfote einen Ball wegdengelt und ihm hinterherjagt, nur in Großformat. Erneut springt er vor dem ihm unbekannten Objekt auf und ab, droht mit Kopfschütteln. Aber der Kamera wachsen keine Beine, sie wehrt sich nicht, quiekt nicht, bewegt sich nicht, liegt da wie ein gähnend langweiliger Gesteinsbrocken. Frustriert wendet sich der Bulle ab, trottet der Herde hinterher.
    Die teure Kamera, ob da noch etwas zu retten ist? Jan Haft ist skeptisch. Sorgenvoll kriecht er zu der Kamera hin, um sie zu bergen. Es wäre ein enormer Verlust, wenn sie ab jetzt nicht mehr zur Verfügung stünde. Doch tief in seinem Tierfilmerherz regt sich noch eine zweite Frage: Was hat die Kamera aufgenommen? Sind Jan Haft und dem Team unerwartet kuriose Bilder eines Angriffs aus allernächster Nähe geglückt? Brillant hatten sie die Kamera platziert, sodass die Moschusochsen exakt auf sie zuliefen. Nahaufnahmen mitten unter ihnen, was für eine geniale Einstellung. Das Kamerateam hatte sich unauffällig in einiger Entfernung positioniert und das Vorbeiziehen der Herde aufgenommen, als der Jungbulle unerwartet die Kamera angriff.
    Gewagt war dieser Dreh allemal, denn die Kamera hätte platt getrampelt werden können. Nun filmen die Kollegen, wie Jan Haft, am Boden kriechend, die Kamera holt, obwohl der Bulle erst 20 Meter weitergetrottet ist. Schon beim Zurückkommen drückt er die Starttaste. Holla die Waldfee, die Kamera läuft noch, hat keinen ernsthaften Schaden erlitten. Da war doch noch etwas. Der Bulle! Ein aufgeschreckter Blick zurück. Vor lauter Neugierde hat Jan Haft nur Augen für die Kamera gehabt und den Bullen ganz vergessen. Hier in der Tundra gibt es kein Versteck, keinen Baum, hinter den er sich flüchten könnte. Doch der Bulle zieht weiter, kümmert sich nicht um den Mann. Glück gehabt! Wehe dem, der von einem Moschusochsen mit seiner urwüchsigen Kraft erfasst wird!
    Das Filmteam schaut gespannt aufs Display der Kamera. Perfekt! Kuh und Kalb laufen nur einen halben Meter an der Kamera vorbei. Dann passiert einen Augenblick nichts. Der Jungbulle ist schon nicht mehr im Sichtbereich der Kamera. Doch plötzlich wackelt sie, dann ist kurz von der Seite die Schnauze zu sehen. Kurz darauf dreht sich das Bild um sich selbst, als der Bulle die Kamera weghaut. Diese Szene, aus dem Blickwinkel zweier Kameras aufgenommen, bringt Jan Haft zwar nicht im Film Norwegen aus der Serie Wildes Skandinavien unter, dafür aber im Making of , welches unter dem Titel Auf zum Polarkreis als eigene Filmdoku ausgestrahlt wird.
    Der Name Jan Haft steht für Deutschlands produktivste Naturfilmschmiede. Seit er 1996 die Firma »Nautilus TV « gründete, die er im März 2000 in eine GmbH umwandelte und die seitdem »Nautilusfilm« heißt, tragen knapp 40 Filme seine Handschrift. Alleine kann er die vielen Produktionen längst nicht mehr bewältigen. In Zusammenarbeit mit seiner Frau Melanie entwickelte sich ein Unternehmen, in dem heute zehn Mitarbeiter beschäftigt sind. Sie fungieren als perfekt eingespieltes Team. Das ermöglicht es ihm, an mehreren Filmprojekten gleichzeitig zu arbeiten. Ein Filmer, der alleine arbeitet, vereint in sich die Rollen als Autor, Kameramann, Techniker, Produzent, Organisationstalent, Cutter, Finanzmanager und Biologe. Er braucht ein gutes Händchen im Umgang mit anderen Menschen. Es bedarf einer Menge Kreativität, um die Tiere vor die Kamera zu bekommen. Mit seinen Aufnahmen, Texten und der Vertonung muss er den Geschmack von Zuschauern und Redaktionen
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