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Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One

Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One

Titel: Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One
Autoren: Harlan Coben
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genau wie die Toiletten von Grundschulen. An der Innenseite der Tür hing eine Sehtesttafel - die, bei der man nur in die Richtung zu deuten braucht, in die das E jeweils offen ist. Eine Wand war mit ausgeblichenen Disney-Abziehbildern beklebt, an der anderen hing ein riesiges Poster mit der Ernährungspyramide. Meine 14-jährige Patientin saß auf der Untersuchungsliege, neben ihr die Halterung für das Krepppapier, mit dem wir die Liege für jedes Kind neu bedeckten. Aus irgendeinem Grund erinnerte mich die Art, wie das Papier herausrollte, an das Einwickeln eines Sandwichs im Carnegie Deli.
    Die Hitze, die die Heizung abstrahlte, war mehr als drückend, doch das war unvermeidbar in einem Raum, in dem sich regelmäßig Kinder und Jugendliche auszogen. Ich trug mein übliches Kinderarzt-Outfit: Jeans, Chucks-Basketballschuhe, ein Oxford-Hemd mit Button-down-Kragen und eine grelle Save-the-Children-Krawatte, der man ihr Baujahr 1994 überdeutlich ansah. Ich trage keine weißen Kittel. Meiner Meinung nach schüchtert man die Kids damit nur ein.
    Meine 14-jährige Patientin - ja, ich kam nicht über ihr Alter hinweg - war ein wirklich liebes Mädchen. Komischerweise sind sie das alle. Ich überwies sie an eine Geburtshelferin, von der ich viel hielt. Dann sprach ich mit ihrer Mutter. Alles nicht neu oder überraschend. Ich mache das, wie gesagt, fast jeden Tag. Als sie ging, umarmten wir uns. Dabei sahen ihre Mutter und ich uns kurz in die Augen. Jeden Tag kommen ungefähr 25 Mütter und bringen mir ihre Kinder zur Untersuchung. Nach einer Woche kann ich die Anzahl derjenigen, die verheiratet sind, an den Fingern einer Hand abzählen.
    Ich urteile zwar nicht. Aber ich beobachte.
    Als sie gegangen waren, trug ich ein paar Daten in die Akte des Mädchens ein. Ich blätterte ein paar Seiten zurück. Ich hatte sie schon als Assistenzarzt kennen gelernt. Das hieß, dass sie mit acht zum ersten Mal bei mir gewesen war. Ich sah mir ihre Wachstumstabelle an.
    Ich erinnerte mich daran, wie sie als Achtjährige ausgesehen hatte, und dachte dann darüber nach, wie sie jetzt aussah. Sie hatte sich nicht sehr verändert. Schließlich schloss ich die Augen und rieb mir die Lider.
    Homer unterbrach mich, indem er schrie: »Die Post! Die Post ist da! Oooh!«
    Ich öffnete die Augen und drehte mich zum Monitor um. Der Schrei kam von Homer Simpson aus der Fernsehserie Die Simpsons. Irgendjemand hatte das lahme Sie haben Post im Computer durch dieses Homer-Soundfile ersetzt. Es gefiel mir. Es gefiel mir sehr.
    Ich wollte mir gerade meine E-Mail ansehen, als mich das Summen der Gegensprechanlage unterbrach. Wanda, die Sprechstundenhilfe, sagte: »Ihre, äh, ähem, Ihre, äh … Shauna ist am Telefon.«
    Ich konnte ihre Verwirrung nachvollziehen, bedankte mich und drückte auf den blinkenden Knopf. »Hallo, Schnuckelchen.«
    »Schon okay«, sagte sie. »Ich bin direkt vor der Tür.«
    Shauna legte auf. Ich stand auf und ging den Flur entlang, als Shauna von der Straße hereinkam. Shauna stolziert in einen Raum, als würde er sie kränken.
    Sie war Model für Übergrößen, eins der wenigen, die allein durch ihren Vornamen eindeutig identifiziert wurden. Shauna. Wie Cher oder Fabio. Sie war einen Meter fünfundachtzig groß und wog 85 Kilo. Wie nicht anders zu erwarten, pflegte sie Köpfe zu verdrehen; die im Wartezimmer waren da keine Ausnahme.
    Sie verschwendete keinen Gedanken daran, sich bei der Sprechstundenhilfe anzumelden, und die wusste, dass es keine gute Idee war, sich Shauna in den Weg zu stellen. Shauna öffnete die Tür und begrüßte mich mit den Worten: »Mittagessen. Jetzt.«
    »Ich hab dir doch gesagt, dass ich zu tun habe.«
    »Zieh dir was über«, sagte sie. »Es ist kalt draußen.«
    »Hör zu, mir geht’s gut. Und der Jahrestag ist sowieso erst morgen.«
    »Du lädst mich ein.«
    Ich zögerte einen Moment, und sie wusste, dass sie gewonnen hatte.
    »Komm schon, Beck, das wird lustig. Wie früher im College. Erinnerst du dich noch, wie wir losgezogen sind und heiße Bräute aufgerissen haben?«
    »Ich habe nie heiße Bräute aufgerissen.«
    »Oh, stimmt, das war ich. Hol deine Jacke.«
    Auf dem Rückweg in mein Büro lächelte mir eine der Mütter zu und nahm mich beiseite. »Sie ist sogar noch schöner als auf den Fotos«, flüsterte sie.
    »Äh«, sagte ich.
    »Sind Sie mit ihr …« Die Mutter zeigte mit den Händen eine Zusammengehörigkeit an.
    »Nein, sie hat jemand anderes«, antwortete ich.
    »Wirklich? Wen
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