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Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One

Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One

Titel: Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One
Autoren: Harlan Coben
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wie das, was hätte sein können.) Es erinnert mich an die Schuld, das Gefühl, so irrational es auch sein mag, dass ein stärkerer Mann - ein besserer Mann - sie womöglich hätte retten können.
    Man sagt, dass es lange dauert, bis man eine Tragödie in ihrer Gänze begreift. Man ist benommen. Man wird sich der finsteren Realität nicht bis ins Letzte bewusst. Auch das ist nicht wahr. Auf mich traf es jedenfalls nicht zu. Als sie Elizabeths Leiche fanden, war mir sofort klar, was das für mich bedeutete. Mir war klar, dass ich sie nie wieder sehen würde, dass ich sie nie wieder im Arm halten würde, dass wir keine Kinder haben und nicht gemeinsam alt werden würden. Mir war klar, dass dies etwas Endgültiges war, dass es keine Gnadenfrist gab, dass kein Verhandlungsspielraum mehr vorhanden war.
    Ich fing sofort an zu weinen. Ich schluchzte hemmungslos. Ich heulte fast eine ganze Woche ununterbrochen. Ich weinte bei der Trauerfeier. Ich ließ niemanden, nicht einmal Shauna oder Linda, an mich heran. Ich schlief allein in unserem Bett, vergrub meinen Kopf in Elizabeths Kissen und versuchte, ihren Geruch wahrzunehmen. Ich sah ihre Schränke durch und drückte ihre Kleidung an mein Gesicht. All das bot mir keinen Trost. Es war verrückt und schmerzte. Doch es war ihr Geruch, ein Teil von ihr, also tat ich es trotzdem.
    Wohlmeinende Freunde - das sind oft die schlimmsten - hatten die üblichen Klischees für mich parat, und aufgrund dieser Erfahrungen glaube ich, Sie warnen zu dürfen: Sprechen Sie lediglich Ihr tiefstes Mitgefühl aus. Erzählen Sie mir nicht, dass ich noch jung bin. Erzählen Sie mir nicht, dass es vorübergeht. Erzählen Sie mir nicht, dass sie jetzt an einem besseren Ort ist, dass das Ganze Teil eines göttlichen Plans ist. Und auch nicht, dass ich froh sein kann, einer solchen Liebe teilhaftig geworden zu sein. Jede dieser Plattitüden kotzte mich an. Ich fing an - und das klingt jetzt bestimmt herzlos -, mein Gegenüber anzustarren und mich zu fragen, warum dieser Idiot oder diese Idiotin noch atmete, während meine Elizabeth im Sarg verrottete.
    Immer wieder musste ich mir den Unsinn anhören, dass es besser sei, die Liebe erlebt und verloren zu haben. Noch so eine Täuschung. Glauben Sie mir: Es ist nicht besser. Zeigt mir nicht das Paradies, um es dann niederzubrennen. Das war der eine Teil. Der selbstsüchtige Teil. Noch stärker - wirklich schmerzlich - war jedoch, dass Elizabeth so viel vorenthalten wurde. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie oft ich etwas sehe oder tue und daran denke, wie viel Freude es Elizabeth bereitet hätte, und dann versetzt es mir wieder diesen Stich.
    Die Leute fragen, ob ich etwas bedauere. Die Antwort lautet: Nur das eine. Ich bedauere, dass es Momente in meinem Leben gab, die ich damit verschwendet habe, etwas anderes zu tun, als Elizabeth glücklich zu machen.
    »Dr. Beck?«
    »Eine Sekunde noch«, sagte ich.
    Ich legte meine Hand auf die Maus und schob den Pfeil auf das Lesen-Icon. Ich klickte darauf und der Text erschien.
    An: [email protected]
Von: [email protected]
Betreff: E.P.+ D.B. /////////////////////
    Nachricht: Klick auf diesen Hyperlink, Kusszeit, Jahrestag.
     
    Ein Bleiklotz bildete sich auf meiner Brust.
    Kusszeit?
    Es war ein Witz. Es musste ein Witz sein. Ich bin kein Freund von Geheimniskrämerei. Und ich bin kein Freund des Wartens.
    Ich griff wieder nach der Maus und schob den Mauszeiger auf den Hyperlink. Ich klickte und hörte das archaische Kreischen des Modems, den Balzruf der Maschine. Wir haben alte Rechner in der Klinik. Es dauerte eine Weile, bis sich der Browser geöffnet hatte. Ich wartete und dachte: Kusszeit, woher um alles in der Welt wissen die von der Kusszeit?
    Der Browser erschien. Er zeigte eine Fehlermeldung.
    Ich runzelte die Stirn. Wer zum Teufel hatte diese E-Mail geschickt? Ich probierte es noch einmal und bekam wieder dieselbe Fehlermeldung. Der Link führte ins Leere.
    Wer zum Teufel wusste von der Kusszeit?
    Ich habe nie jemandem davon erzählt. Nicht einmal mit Elizabeth hatte ich besonders häufig darüber gesprochen - wohl weil es gar nicht so wichtig war. Wir waren antiquiert wie die alte Jungfer Pollyanna, sprachen also kaum über solche Dinge. Eigentlich ist es auch ein bisschen peinlich, aber ich habe auf die Uhr geschaut, als wir uns vor 21 Jahren zum ersten Mal küssten. Nur so aus Spaß. Ich habe den Kopf zurückgezogen, auf meine Casio-Armbanduhr geblickt und gesagt: »Achtzehn Uhr fünfzehn.«
    Und
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