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Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One

Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One

Titel: Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One
Autoren: Harlan Coben
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Elizabeth sagte: »Kusszeit.«
    Ich sah mir die Nachricht noch einmal an. Langsam wurde ich sauer. Das war nicht mehr komisch. Eine gemeine E-Mail zu schicken ist eine Sache, aber …
    Kusszeit.
    Tja, Kusszeit war morgen um 18 Uhr 15. Mir blieb keine Wahl. Ich musste warten.
    Also gut.
    Für den Fall der Fälle speicherte ich die E-Mail auf Diskette. Ich öffnete das Druckmenü und wählte die Option Alles Drucken. Ich verstehe nicht viel von Computern, habe jedoch mitgekriegt, dass man aus dem Kauderwelsch am Ende einer Nachricht manchmal den Absender ermitteln kann. Noch einmal zählte ich die Striche. Immer noch 21.
    Ich dachte an den Baum und den ersten Kuss, und in meinem engen, überheizten Büro stieg mir wieder der Geruch des Erdbeer-Brausepulvers in die Nase.

2
    Zu Hause erwartete mich eine weitere böse Überraschung aus der Vergangenheit.
    Ich wohne auf der anderen Seite der George Washington Bridge gegenüber von Manhattan - im uramerikanischen Traumvorort Green River, New Jersey, in dem trotz seines Namens kein Fluss und immer weniger Grün zu finden ist. Mein Zuhause ist das Haus meines Opas. Als Oma vor drei Jahren starb, bin ich bei ihm und seinen häufig wechselnden ausländischen Krankenschwestern eingezogen.
    Opa hat Alzheimer. Sein Gedächtnis arbeitet ungefähr so wie ein altes Schwarzweiß-Fernsehgerät mit einer verbogenen Zimmerantenne. Mal geht es, dann wieder nicht, an manchen Tagen funktioniert es besser als an anderen, man muss die Antenne in eine bestimmte Richtung halten, darf sich absolut nicht bewegen, und selbst dann läuft das Bild noch gelegentlich durch. So ist es zumindest lange gewesen. In letzter Zeit konnte man ihm - um bei dem Bild zu bleiben - allerdings kaum mehr als ein kurzes Flimmern entlocken.
    Ich habe meinen Opa nie wirklich gemocht. Er war ein herrschsüchtiger Mann mit altmodischen Moralvorstellungen, der sich aus eigener Kraft hochgearbeitet hatte und dessen Zuneigung zu anderen Menschen in direktem Verhältnis zu dem Erfolg stand, den sie vorweisen konnten. Mit seiner barschen Art, seiner Unnahbarkeit und seiner antiquierten Vorstellung von Männlichkeit konnte er einen Enkel, der sowohl sensibel als auch ein schlechter Sportler war, ohne weiteres links liegen lassen, selbst wenn dieser gute Zensuren bekam.
    Ich bin bei ihm eingezogen, weil ich wusste, dass meine Schwester ihn sonst zu sich genommen hätte. Linda war so. Schon im Brooklake-Sommercamp hat sie sich den Inhalt des Spirituals He has the whole world in His hands etwas zu sehr zu Herzen genommen. Sie hätte sich in der Pflicht gesehen. Doch Linda hatte einen Sohn, eine Lebensgefährtin und zahlreiche Verpflichtungen. Ich nicht. Mein Einzug hier war also eine Art Präventivschlag gewesen. Inzwischen wohnte ich eigentlich ganz gern hier. Es war ausgesprochen ruhig.
    Chloe, mein Hund, kam schwanzwedelnd auf mich zu. Ich kraulte sie hinter den Schlappohren. Sie ließ es sich einen Augenblick lang gefallen und sah dann erwartungsvoll die Leine an.
    »Einen Moment noch«, sagte ich zu ihr.
    Chloe mag diesen Satz nicht. Sie warf mir einen Blick zu, was gar nicht so einfach ist, da ihre Augen vollkommen von Haaren bedeckt sind. Chloe ist ein Bearded Collie, eine Rasse, die eher an Bobtails erinnert als an die Collies, die man sonst so kennt. Elizabeth und ich hatten Chloe gleich nach unserer Hochzeit gekauft. Elizabeth mochte Hunde. Ich nicht. Jetzt mag ich sie.
    Chloe postierte sich vor der Haustür. Sie sah erst zur Tür, dann zu mir, dann wieder zur Tür. Der Wink mit dem Zaunpfahl.
    Opa saß in sich zusammengesunken vor einer Spielshow im Fernsehen. Er sah mich nicht an, schien aber auch das Bild nicht zu beachten. Sein fahles Gesicht war totenstarr. Diese Starre wich nur, wenn seine Windel gewechselt wurde. Dann bekam er schmale Lippen und sein Gesicht entspannte sich. Seine Augen wurden feucht und manchmal lief ihm eine Träne über die Wange. Ich glaube, seine lichtesten Momente sind die, in denen er sich am meisten nach Senilität sehnt.
    Gott hat einen seltsamen Sinn für Humor.
    Die Schwester hatte eine Nachricht auf dem Küchentisch hinterlassen: SHERIFF LOWELL ANRUFEN.
    Darunter stand eine Telefonnummer.
    Mein Herz schlug schneller. Seit dem Überfall leide ich unter Migräne. Ich hatte durch die Schläge einen Schädelbruch erlitten. Ich lag damals fünf Tage im Krankenhaus; ein Spezialist, einer meiner Kommilitonen von der Medizinischen Hochschule, meint allerdings, dass die Migräneattacken eher
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