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Kein Mann für jeden Tag: Roman (German Edition)

Kein Mann für jeden Tag: Roman (German Edition)

Titel: Kein Mann für jeden Tag: Roman (German Edition)
Autoren: Alice Peterson
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in aller Herrgottsfrühe aufstehen und ihre Stiefel polieren mussten, bis sie spiegelblank glänzten, und dass ihr Sergeant sie ständig anbrüllte. Ich habe mir ihre Geschichten immer gern angehört.
    »Setz dich doch«, fordert Richard mich auf und begutachtet interessiert meinen Jeansmini, die Sonnenbrille und die rosa Birkenstockschuhe.
    Ich nehme die Sonnenbrille ab. Hinter Richards Schreibtisch hängt eine große schwarz-weiß gerahmte Luftaufnahme von Dorset.
    »Süßer Hund«, sagt er.
    »Danke.« Ich strahle vor Stolz. Ruskin ist mein Rettungshund, ein Terrier-Mischling mit einem Schwanz, der an eine Palme erinnert, mit stämmigen, robusten Beinen und einem hübschen, für seinen Körper eigentlich zu großen Kopf. Sein Anblick führt des Öfteren zu Heiterkeitsausbrüchen bei Kindern, die ihn immer streicheln wollen. Für mich ist er das treueste männliche Wesen in meinem Leben. Niemand soll sich einfallen lassen, diesen Hund zu kritisieren.
    Nachdem wir uns kurz über die Befindlichkeiten unserer Väter ausgetauscht haben, kommt Richard auf das Geschäft zu sprechen. »Du willst also hier in der Gegend etwas kaufen?«
    »Richtig. Ich habe Lust auf ein Abenteuer«, erkläre ich kühn. Warum soll ich schließlich nicht genauso zu neuen Ufern aufbrechen wie die Digbys?, denke ich mir.
    »Ich kann mich gar nicht erinnern – hast du Familie hier?«
    »Oh ja. Meine Tante Pearl lebte in ...« Ich kneife die Augen zusammen und versuche, mich zu erinnern. »Tolpuddle. Genau. In Tolpuddle.« Ich weiß noch, wie ich als Kind zusammen mit meinem Zwillingsbruder Nicholas in den Sommerferien immer zu Tante Pearl geschickt wurde. Wir hatten viel Spaß. Sie fuhr mit uns an den Strand, wo wir auf den Felsen herumklettern konnten und uns wilde Wasserschlachten lieferten.
    Richard verschränkt die Arme. Er hat ein ausdrucksstarkes, eckiges Gesicht, lockiges dunkelbraunes Haar und dichte Augenbrauen.
    »Heute Morgen bin ich durch ein paar wirklich hübsche Dörfer gefahren.« Ich beschließe, ihm nicht zu erzählen, dass die meisten von ihnen ziemlich ausgestorben wirkten. »Ich habe auch ein Cottage gesehen, das zum Verkauf stand. Es war in ... Pudlehampton, oder hieß es Pudletown? Jedenfalls irgendwas mit Pudle.«
    »Piddlehinton.« Er verkneift sich ein Lachen. »Möchtest du vielleicht einen Kaffee oder einen Tee?«
    »Gern. Einen Cappuccino, bitte.«
    »Also, wir sind hier nicht im Grandhotel.«
    Ich werde rot. »Instantkaffee ist absolut okay.«
    Er wälzt sich aus seinem Sessel, steigt eine Treppe hinauf und verschwindet aus meinem Blickfeld. Rastlos schaue ich mich im Büro um, ehe ich den Arm ausstrecke und Ruskin streichle, der unter meinem Sessel liegt.
    Der Blick aus dem Fenster erinnert mich daran, dass ich hiernicht damit rechnen muss, Ed und seiner zukünftigen Ehefrau über den Weg zu laufen. Als er mir im Kaufhaus plötzlich gegenüberstand, hatte ich nur einen einzigen Gedanken: Ich war so gewöhnt daran, jeden Morgen neben diesem Gesicht aufzuwachen. Ich kenne jede Linie darin, die Form seines Mundes und die Geschichte der fast unsichtbaren Narbe auf der linken Stirnseite. Ich senke den Blick und betrachte meinen abgeblätterten Nagellack. Seine Neue würde es sicher nie so weit kommen lassen – genauso wenig, wie sie wahrscheinlich an ihren Nägeln kaute. Ich überlege, ob Ed ihr schon erzählt hat, woher die Narbe stammt.
    Aus der Küche dringen Lärm und ein paar herzhafte Flüche, ehe Richard mich fragt, ob ich Milch und Zucker nehme. Es hört sich an, als stünde der Wasserkessel kurz vor einer Explosion, während Richard mit den Tassen zu kämpfen scheint und vor dem Fenster ein Tattergreis mit einem Rollator vorbeischlurft.
    Plötzlich werde ich von Panik überwältigt. Was tue ich eigentlich? Werde ich hier überhaupt einen Job finden? Und wenn ich London verlasse, werde ich meinen Vater vermissen? Er wohnt in dem alten heruntergewirtschafteten Haus unserer Familie am Regent’s Park. Wenn ich ehrlich bin, glaube ich nicht, dass er es gern sähe, wenn ich wegzöge, aber bei Dad kann man nie genau wissen. Anna wäre sicher traurig, wenn ich ginge. Sie ist wie ich Single und fast wie eine Schwester für mich. Auch meinen Zwillingsbruder Nick und ganz besonders seine Kinder würde ich vermissen. Natürlich könnten sie mich alle in meinem idyllischen Landhaus mit rosa Kletterrosen und hübschem Gartentor besuchen kommen. Ich kann meine beiden Nichten fast vor mir sehen, wie sie barfuß über den
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