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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen
Autoren: Romain Sardou
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Franklin. »Sind Sie eine ehemalige Kollegin von Melanchthon, haben Sie an Ihrem Fall gearbeitet?«
    »Nein. Ich bin ihre Frau.«
    Der Professor riss die Augen auf.
    »Na, halten Sie Ihre schmutzigen Gedanken im Zaum, Freundchen. Und nun hauen Sie ab. Ich treffe Sie Punkt 16 Uhr hier wieder.«
    Die Akademie bestand aus einem Dutzend riesiger Gebäude: Trainingszentren für angehende Agenten, für Verhaltensforschung und Forensik, für Operationen im Gelände, für die Spezialisierung auf internationale Zusammenhänge und für Internetkriminalität.
    An diesem sensiblen Ort, der direkt an die gerichtsmedizinischen Labors des gesamten FBI grenzte, waren keinerlei öffentliche Besuche erlaubt.
    Franklin passierte die Sicherheitsschleuse, ohne Argwohn zu erregen: Die Magnetstreifenkarte war ein wahrer Sesam-öffne-dich. Er hatte den Campusplan im Kopf und marschierte entschlossenen Schritts voran, ohne jemanden anzusehen. Die Studentenbibliothek befand sich neben dem großen Hörsaal. Die Gänge, die Lesesäle, die Computerräume, alles wurde mit Kameras überwacht.
    Frank wollte die Sache durchziehen, ohne jemanden um Rat zu fragen. Er musterte die Buchreihen, um das Klassifizierungssystem zu begreifen.
    QFL.
    Kein Werk, das nicht dieses Präfix aus drei Buchstaben aufwies.
    Die Schwierigkeit erwuchs aus der allgemeinen Systematik der Regale, die nach Themen und anschließend alphabetisch nach Autorennamen geordnet waren. Es gab Tausende und Abertausende von bibliografisch erfassten Werken, und Franks einzige Angabe war die Ziffernfolge.
    Ihm blieb keine andere Wahl mehr. Er näherte sich einem jungen Mädchen, das vor einem Laptop saß, der offenbar zur Bibliotheksausstattung gehörte. An jedem Arbeitsplatz, auch an den unbenutzten, stand das gleiche Modell.
    »Entschuldige«, sagte er leise zu ihr. »Ich muss einen Titel mit Hilfe einer Signatur finden. Kannst du mir helfen?«
    Die junge Studentin sah ihn seltsam an. Sie zeigte auf die freien Computer neben sich.
    Franklin ahnte, was sie ihm antworten würde, und kam ihr zuvor.
    »Es handelt sich nur um einen Titel. Ich hab es eilig. Ich habe keine Zeit, mich einzuloggen.«
    Er wollte vor allem nicht das Konto des Typs von der Karte benutzen. Er zeigte dem Mädchen seinen Papierfetzen mit QFL-ISBN-2845632908 darauf und schenkte ihr ein strahlendes Zahnpastalächeln. Das Mädchen tippte auf ihrer Tastatur. Wie der Professor sich gedacht hatte, hatte sie von ihrem Laptop aus Zugang zu den bibliografischen Daten der Werke.
    »Es steht in der Abteilung für gelöste Fälle«, sagte sie. »Und der Autor heißt Sheridan. Das war’s.«
    Franklin erstarrte. Das Mädchen blickte ihn an, als sei er ein Idiot.
    »Die gelösten Fälle befinden sich im Saal 3«, fügte sie an, um ihn aus seiner Verstörung zu reißen.
    Franklin fasste sich wieder.
    »Vielen Dank.«
    Sheridan.
    »Großer Gott«, dachte Frank. »Was ist das bloß für eine Geschichte?«
     
    Der Raum mit den gelösten Fällen war der kleinste von allen, eine Ironie, die keinem Studenten entging. Die hier vorgestellten Fälle mussten in jeder Hinsicht abgeschlossen sein. Die meisten waren durch die Medien gegangen, wenn es sich um Mordfälle oder um schwere Wirtschaftskriminalität handelte.
    Franklin eilte zum Bereich S.
    Er entzifferte viele Sheridans in der Reihe; John-Patricks, Bens, Stanleys, Michaels … zum Glück aber keinen Stu oder Stuart. Der Professor atmete auf. Ein oder zwei Sekunden lang war ihm heiß geworden.
    Boz’ Signatur nannte als Verfassernamen einen gewissen Doktor Gordon Sheridan. Es handelte sich um ein Dokument von etwa hundert Seiten Länge, das den Fall Larry Gene Bell behandelte, ein Mörder, der in den Achtzigerjahren in South Carolina sein Unwesen getrieben hatte. 1985 war er des zweifachen Mordes an Shari Faye Smith und Debra May Helmick angeklagt worden. In der Schrift ließ Doktor Sheridan noch einmal alle Ermittlungsergebnisse und die außergewöhnlichen Interviews Revue passieren, die er im Gefängnis mit dem Mörder hatte durchführen können. Die Arbeit verfolgte das Ziel, ein Profil herauszuarbeiten, anhand dessen die FBI-Anfänger lernen konnten, die multiplen Persönlichkeiten bestimmter Verrückter zu knacken. Die Mörder zu dekodieren.
    Larry Gene Bell.
    Das Dokument war konzentriert, sachlich und ganz im Stil der Protokolle des »Büros« aus jener Zeit. Mehrere Absätze waren zensiert worden. Der ständige Bezug auf eingeschobene offizielle Texte, von denen er kein Wort
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