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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen
Autoren: Romain Sardou
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immer abgehört.«
    »Das alles hat jetzt keine Bedeutung mehr. Sehen Sie selbst.«
    Sie nahmen im Wohnzimmer Platz. Sie hatte Dokumente und Bücher mitgebracht.
    »Gehen wir ein wenig zurück. Sie haben sicher nicht vergessen, dass wir Stuart Sheridan im vergangenen Februar zwei Monate beschatten ließen, nachdem er ganz alleine, ohne die geringste Genehmigung seiner Vorgesetzten, Ermittlungen im Fall der vierundzwanzig aufgenommen hat, weil wir dachten, er könnte als Köder dienen oder gar von Boz als Opfer auserwählt sein.«
    »Ich erinnere mich.«
    »In dieser Zeit haben wir ausführliche Erkundigungen über den Colonel und seine Familie eingeholt. Darunter auch seinen Vater Gordon Sheridan.«
    Sein Vater?
    »Eine interessante Persönlichkeit.«
    Die Bücher, die sie auf den Tisch legte, stammten alle von ihm.
    Der Mörder ohne Schatten , erschienen 1983.
    Das Ende des Serial Killer ; erschienen 1984.
    Methoden und Gegenmethoden , erschienen 1987.
    »Doktor Gordon Sheridan gehört zu jenen Kriminologen, die Anfang der Sechzigerjahre das typische Profil des serial killer erarbeitet haben. Damals sprach man noch vom chain killer ; 1966 tauchte der Begriff serial mass murder auf, aber erst 1974 benutzte der FBI-Agent Robert Ressler zum ersten Mal die von nun an geläufige Bezeichnung serial killer . Ressler war ein Schüler von Doktor Sheridan.«
    »Ich verstehe.«
    Der Vater von Stuart Sheridan!
    »Doch zu Beginn der Achtzigerjahre«, fuhr Patricia fort, »wollte der alternde Gordon plötzlich sein Modell perfektionieren. Der serial killer wurde von allen, Polizei wie Öffentlichkeit, als gefährlichster Mördertyp betrachtet, doch Sheridan setzte sich in den Kopf, das Modell eines neuen Archetyps zu entwerfen, der ihn an Schrecklichkeit und Raffinesse noch übertreffen könnte. Den ›perfekten Killer‹.«
    »Perfekter als einen serial killer ?«
    »Ja. Das ist nicht abwegig. Im Gegensatz zur gängigen Meinung ist der serial killer eher leicht zu fassen. Er ist ein Neurotiker, der sich systematisch selbst kopiert, weil er sich durch die Wiederholung ein Gefühl von Sicherheit und Herrschaft über die Ereignisse und seine Opfer zu verschaffen sucht. Je länger er aktiv ist, umso kürzer werden die Abstände zwischen den Morden und umso grausamer werden sie. Das bloße Schema F genügt nicht mehr für seine morbide Befriedigung. Sobald er ins Blickfeld der Medien gerät, beginnt der mentale Wettkampf mit der Polizei und den Journalisten; kurzum, seine Aktionen werden von zu vielen Faktoren beeinflusst, er verheddert sich und begeht früher oder später den Fehler, der ihn ins Verderben stürzt. Der serial killer ist ein Monster mit beschränkten Mitteln. Die Aufmerksamkeit konzentriert sich zwar auf diese spektakulären Fälle, doch diese Täter werden fast alle gefasst. Sheridan wollte darüber hinausgehen.«
    Das Telefon in Franklins Wohnzimmer klingelte.
    Es war Norris Higgins.
    »Ein Besucher für mich wartet am Eingang? Aber ich erwarte niemanden«, sagte Franklin.
    Patricia gestikulierte wild in der Luft.
    »Das ist für mich. Javier Simoniño. Ich habe ihn gebeten, uns hier zu treffen.«
    Frank wies Higgins an, den Besucher einzulassen.
    »Wer ist das?«
    »Ein Informatiker. Ich will, dass er sich Ihren Computer mal ansieht.«
    »Wozu?«
    »Er soll die zwei E-Mails zurückverfolgen, die Sie von Boz erhalten haben. Ich will sichergehen, dass sie nicht erst nach dem Tod des Schriftstellers abgeschickt wurden. Mich vergewissern, dass wir es nicht mit jemandem zu tun haben, der in Boz’ Persönlichkeit ›hineinschlüpft‹. Ein Nachahmer.«
    »Großartige Idee.«
    Die Frau nahm ihre Ausführungen zu Gordon Sheridan wieder auf.
    »Der perfekte Killer hat sich ihm zufolge besser unter Kontrolle, er beurteilt seine Verbrechen mit messerscharfem Verstand und - das ist das Wichtigste - er wiederholt sich nicht, sei es aus Stolz oder aus Vorsicht. Er treibt seine Perfektion so weit, dass er bei jedem Mord seine Vorgehensweise vollständig neu erfindet, ohne einer fixen Idee zu gehorchen, die von seinen Verfolgern entlarvt werden könnte. Dieser Mörder »signiert« seine Morde nicht mehr, denn es gibt keinerlei Verbindung zwischen ihnen.«
    Franklin runzelte die Brauen.
    »Was Sie mir hier erzählen, kommt ziemlich nahe an ein Porträt von Boz heran. Er beging nie die gleichen Verbrechen, um nie die gleichen Bücher zu schreiben.«
    »Ganz genau. Sie verstehen jetzt, weshalb wir uns anfänglich so sehr für
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