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Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen
Autoren: Linwood Barclay
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»Mr Harwood?«
    »Ich bin hier oben«, rief ich, um einen möglichst normalen Tonfall bemüht.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?« Unten ging Licht an.
    »Nein. Meine Frau ist schwer verletzt.«
    »Ich habe schon den Notarzt verständigt.« Duckworth hatte den Fuß der Treppe erreicht. Oscar Fine und ich standen hinter dem kurzen Geländer im ersten Stock.
    Mit der Dienstwaffe in der Hand sah Duckworth zu uns auf. Ein irritiertes Flackern huschte über seine Miene; offenbar fragte er sich, wer der Mann war, der hinter mir stand.
    »Mr Harwood und ich werden jetzt zusammen das Haus verlassen«, sagte Oscar Fine. »Sollten Sie versuchen, uns daran zu hindern, werde ich ihn erschießen.«
    Duckworth schien einen Moment lang zu überlegen. »In zwei Minuten wimmelt es hier nur so von Polizisten«, gab er zurück.
    »Dann sollten wir uns beeilen«, erwiderte Oscar Fine, während er mich zur Treppe drängte. »Nehmen Sie Ihre Waffe runter, sonst erschieße ich Mr Harwood an Ort und Stelle.«
    Duckworth sah die Pistole, die auf meinen Rücken gerichtet war, und senkte seine Waffe. »Geben Sie auf«, sagte er. »Hier kommen Sie nicht mehr weg.«
    »Von wegen«, entgegnete Fine. Wir befanden uns jetzt auf halber Höhe der Treppe. »Gehen Sie uns aus dem Weg.«
    Duckworth trat ein paar Schritte Richtung Haustür zurück.
    Wir erreichten das Erdgeschoss. Ich war Fines lebender Schutzschild. Er deutete zum Wohnzimmer. Offenbar wollte er das Haus über die Terrasse verlassen. Vielleicht hatte er seinen Wagen in der Parallelstraße geparkt und wollte den Weg durch den Nachbargarten nehmen.
    Duckworth konnte nichts tun. Er warf mir einen frustrierten Blick zu.
    Wir befanden uns genau unterhalb des Geländers im ersten Stock, als Duckworth nach oben sah.
    Oscar Fine und ich drehten die Köpfe, folgten seinem Blick.
    Es war Jan. Sie beugte sich über das Geländer, das ihr bis zur Taille reichte. Ein Blutstropfen fiel auf meine Stirn. Er fühlte sich wie warmer Regen an.
    »Du wirst meinem Sohn nichts antun!«, stieß sie hervor.
    Sie schwang sich über das Geländer.
    In diesem Moment sah ich, was sie mit beiden Händen umklammerte – ein spitz zulaufendes, etwa fünfzig Zentimeter langes Stück Dielenholz, das ich höchstpersönlich aus dem Boden gerissen hatte.
    Oscar Fine blieb keine Zeit zu reagieren. Im selben Augenblick stürzte Jan auch schon herab. Das schartige Ende des Dielenholzes traf ihn genau zwischen Schulter und Halsansatz und wurde durch die Wucht ihres Aufpralls tief in seinen Rumpf gerammt, ehe ihr Körper ihn unter sich begrub.
    Wie gelähmt starrte ich auf die am Boden liegenden Körper. Beide regten sich nicht mehr.

56
    Jan und Oscar Fine wurden noch am Tatort für tot erklärt. Doch auch wenn ich mich wieder halbwegs unter Kontrolle hatte, brachte ich es nicht über mich, noch einmal unsere Diele zu betreten. Ein ums andere Mal überlief es mich eiskalt, wenn ich an die Leichen meiner Frau und ihres Mörders dachte.
    Eine gute Stunde lang versuchte ich Barry Duckworth zu erklären, was geschehen war. Natürlich kannte ich die ganze Geschichte nur in groben Zügen und konnte mir nicht vorstellen, dass ich jemals alle Details erfahren würde.
    Es sah so aus, als würde er mir glauben.
    Ja, es war vorbei. Fast. Denn da war noch etwas, über das ich dringend mit ihm reden musste.
    »Wo steckt Ethan?«, fragte ich. »Jan glaubte, Fine hätte ihn entführt, aber Fine hat gesagt, er hätte keine Ahnung, wo Ethan sei.«
    »Vielleicht hat er ja gelogen«, sagte Duckworth.
    »Das glaube ich nicht«, gab ich zurück. »Die Trumpfkarte hätte er garantiert aus dem Ärmel gezogen.«
    Kurz darauf fanden wir einen schwarzen Audi, der, wie sich herausstellte, auf Oscar Fine zugelassen war. Er hatte in der angrenzenden Straße geparkt. Doch auch als die Cops den Kofferraum öffneten, fand sich keine Spur von Ethan.
    »Meine Kollegen setzen gerade Himmel und Hölle in Bewegung«, sagte Duckworth, als wir eine Viertelstunde später am Tisch in meiner Küche saßen. »Die gesamte Polizei von Promise Falls ist auf der Suche nach Ihrem Jungen. Wir kämmen die gesamte Stadt nach ihm durch.«
    »Und wenn … na ja, wenn er bloß ausgerissen ist?«, fragte ich. Doch dann kam mir noch ein anderer Gedanke, der mir den blanken Schweiß auf die Stirn trieb. »Sie müssen die Krankenhäuser anrufen. O Gott – was, wenn Ethan von einem Auto überfahren worden ist?«
    »Wir tun alles, was in unserer Macht steht, Mr Harwood«,
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