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Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen
Autoren: Linwood Barclay
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weiteren Schritt auf sie zu. »Glaubst du ernstlich, ich würde dir weh tun können? Ich bin dein Ehemann.«
    Jan gab ein unterdrücktes Lachen von sich. »Oh, du würdest es mir bestimmt gern heimzahlen. Aber vor dir habe ich keine Angst.«
    »Vor wem dann?«
    »Meine Eltern sind also tot«, sagte sie, ohne auf meine Frage einzugehen. Ein unruhiges Flackern war in ihren Blick getreten. »Wahrscheinlich hat er gedacht, sie wüssten, wo ich stecke. Ja. Er hat sie umgebracht, als sie ihm nicht weiterhelfen konnten.«
    »Von wem redest du? Glaubst du, der Mörder deiner Eltern will auch dir etwas antun?«
    »Ich habe etwas Schlimmes getan«, sagte sie. »Ich …«
    »Was hast du getan? Worum geht es überhaupt?« Ich war keine zwei Schritte mehr von ihr entfernt.
    »Alles war umsonst«, sagte sie leise. »Die Diamanten waren bloß Imitate.«
    »Diamanten?«, fragte ich. »Was für Diamanten?«
    »Sie waren wertlos. Totaler Ramsch.« Noch ein unterdrücktes Lachen. »Als wäre ich in ein absurdes Theaterstück geraten.«
    Im selben Augenblick packte ich ihr Handgelenk.
    Tatsächlich hatte ich geglaubt, sie würde sich die Waffe mehr oder weniger widerstandslos entwinden lassen, aber da hatte ich mich getäuscht. Sie ließ sie keineswegs los, sondern verpasste mir mit der linken Hand obendrein eine schallende Ohrfeige. Ich schlug ihre Linke weg, doch sie holte sofort wieder aus. Schmerzhaft gruben sich ihre Fingernägel in meine Wange, aber statt sie erneut abzuwehren, packte ich ihre Rechte mit beiden Händen und rammte ihr meine Schulter in die Brust, so dass sie rücklings gegen die Wand prallte.
    Im selben Augenblick drückte sie auf den Abzug.
    Ein ohrenbetäubender Knall hallte durch Ethans Kinderzimmer. Die Kugel ging in die Zimmerdecke. Um ein Haar blieb mir das Herz stehen, doch ich ließ sie nicht los, sondern knallte ihr Handgelenk mit aller Kraft gegen die Wand. Einmal, zweimal. Beim dritten Mal fiel ihr die Pistole aus der Hand. Ich fürchtete, sie würde erneut losgehen, aber Gott sei Dank polterte sie nur gegen die Bodenleiste, ohne weiteren Schaden anzurichten.
    Ich ließ Jan los und wollte einen Hechtsprung machen, um an die Waffe zu gelangen, doch im selben Moment stürzte sie sich von hinten auf mich.
    »Nein!«, schrie sie.
    Ich versuchte sie abzuwehren und stieß sie rücklings gegen den Metallrahmen des Betts. Sie gab einen Schmerzensschrei von sich. Ich riss mich von ihr los, schnappte die Waffe und richtete die Mündung auf sie.
    »Na los, David«, sagte sie, während sie sich mühsam aufrappelte. »Erschieß mich. Jag mir eine Kugel in den Kopf. Dann ist es endlich vorbei!«
    »Wer bist du?«, fuhr ich sie an, während ich die Waffe mit beiden Händen umklammerte. »Wer, zum Teufel, bist du?«
    Sie hockte sich auf die Bettkante und barg ihr Gesicht in den Händen. Als sie wieder aufsah, liefen ihr Tränen über die Wangen. »Ich bin Connie Tattinger«, sagte sie. »Und … ich bin auch Jan Harwood. Aber vor allem bin ich Ethans Mutter.« Sie hielt einen Augenblick inne, bevor sie weitersprach. »Und ich war deine Frau. Eine Weile lang.«
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte ich. »Die letzten fünf Jahre – soll das alles nur ein Witz gewesen sein?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, kein Witz. Ich habe gewartet. Und mich versteckt.«
    »Worauf hast du gewartet? Vor wem hast du dich versteckt?«
    Jan holte tief Luft und wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. »Wir haben einen Diamantenkurier überfallen.«
    »Was? Wovon redest du?«
    Jan winkte müde ab. »Vor sechs Jahren. Aber kurz darauf ist mein Komplize wegen einer anderen Sache in den Knast gegangen. Die Diamanten hatten wir in zwei Bankschließfächern deponiert, aber ich musste warten, bis Dwayne aus der Haft entlassen wurde.« Sie schüttelte den Kopf. »Der Mann, dem wir die Steine geraubt haben … Er ist seit sechs Jahren hinter uns her.«
    Ihre kurzen, lapidaren Sätze trafen mich mitten ins Herz. Ich konnte es nicht fassen. Jahrelang hatte sie mich belogen und betrogen. »Aber du hast doch gesagt, die Diamanten wären wertlos gewesen«, hakte ich mit rauer Stimme nach. »Warum ist dieser Mann dann hinter dir her?«
    Sie räusperte sich. »Wegen dem, was ich ihm angetan habe.«
    Ich wartete.
    »Ich habe ihm die Hand abgesägt«, fuhr sie fort. »Weil der Aktenkoffer mit den Diamanten an seinem Handgelenk befestigt war.« Sie sah zu Boden. »Er hat überlebt.«
    Ich war so verblüfft, dass ich die Waffe sinken ließ.
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