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Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen
Autoren: Linwood Barclay
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stieß einen gellenden Schrei aus.
    Die Kugel schlug in das Kopfende von Ethans Bett ein, einen knappen halben Meter von ihr entfernt. Entsetzt starrte sie auf das Loch in der Wand.
    »Eine Mutter wie dich will er nicht mal geschenkt haben«, sagte ich.
    Jan zitterte. »Ich liebe Ethan über alles«, stammelte sie. »Das ist die Wahrheit, und deshalb bin ich hier. Zuerst bin ich bei deinen Eltern vorbeigefahren, aber da war er nicht. Wo ist er?«
    »Verdammt noch mal, Jan, was hast du vor? Wolltest du ihn kidnappen? Das hattest du ernsthaft vor?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht.«
    »Es ist vorbei, Jan. Hast du mich verstanden? Es ist vorbei. Wenn du Ethan wirklich liebst, musst du dich der Polizei stellen. Ich werde mich um ihn kümmern, während du deine Strafe absitzt. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Ich fürchte, du wirst viele Jahre im Gefängnis verbringen, Jan. Aber wenn du deinen Sohn wirklich liebst, wie du sagst, wirst du das auf dich nehmen.«
    Mit einem Mal wirkte sie ganz ruhig und gefasst. »Okay«, sagte sie. »Okay.«
    »Aber zuerst müssen wir ihn finden«, sagte ich.
    Es war, als hätte ich ihr einen Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf gekippt. Alarmiert starrte sie mich an.
    »Wie bitte? Du weißt nicht, wo er ist?«
    »Er ist verschwunden. Seit heute Nachmittag. Er hat bei Mom und Dad im Garten Krocket gespielt, und plötzlich hat Mom ihn nicht mehr …«
    »Wann war das?«, unterbrach mich Jan. »Wann hat sie gemerkt, dass er nicht mehr da war?«
    »So gegen fünf, glaube ich.«
    Jan schien zu rechnen. »Bis dahin hätte er hier sein können«, platzte sie dann heraus.
    »Wer?«, hakte ich nach. »Der Kerl, der hinter dir her ist?«
    Sie nickte. »Oscar Fine. Ich denke, er hat herausbekommen, wo ich mich die letzten sechs Jahre versteckt habe.« Ich konnte sehen, dass sie fieberhaft überlegte. »Ja, er hatte Zeit genug. Er fährt einen schwarzen Audi, so ein PS -Geschoss. Gut möglich, dass er vor mir hier war. Ich habe unterwegs an einer Raststätte gehalten, weil ich total fertig war.«
    Ich verstand kein Wort. »Was? Woher soll er wissen, wo er Ethan findet?«
    »Denkst du, der Typ ist blöd? Er ist ein Profi. Er muss doch bloß deinen Namen googeln. Glaubst du wirklich, es wäre so schwer, deine Adresse herauszubekommen? Oder die deiner Eltern?«
    Mir schwirrte der Kopf. Erst allmählich wurde mir bewusst, dass Ethan sich womöglich in echter Gefahr befand. »Verdammte Scheiße«, brachte ich schließlich heraus, während ich mich aufrappelte, ohne sie auch nur einen Sekundenbruchteil aus den Augen zu lassen. »Glaubst du, er würde Ethan etwas antun?«
    Jan schauderte. »Er würde vor nichts zurückschrecken«, sagte sie. »Ich habe ihm seine Hand genommen. Er will Rache, verstehst du?«
    Auge um Auge, schoss es mir durch den Kopf. Gleichzeitig meinte ich Ethans kleine Hand in meiner zu fühlen.
    »Gibt es irgendeine Möglichkeit, mit dem Mann zu reden?«, stieß ich hervor. »Hast du eine Ahnung, wie wir ihn kontaktieren könnten?«
    Jan schüttelte den Kopf. »Nein. Aber wenn Ethan sich tatsächlich in seiner Gewalt befindet, ist er vielleicht bereit, ihn gegen mich auszutauschen.«
    Nach allem, was ich von ihr gehört hatte, wäre ich durchaus dazu bereit gewesen. Aber es war nicht unsere einzige Option.
    »Ich rufe Duckworth an«, sagte ich.
    »Wen?«
    »Den Detective, der mir seit Tagen die Hölle heißmacht. Er kann den Kerl zur Fahndung ausschreiben. Immerhin kennen wir seinen Namen. Du weißt, wie er aussieht und was für einen Wagen er fährt. Wenn die Cops ihn finden, wissen wir auch, wo Ethan ist. Und ich glaube nicht, dass er ihm etwas antun wird, ehe er dich nicht aufgespürt hat.«
    Jan nickte resigniert. »Du hast recht. Ruf ihn an. Ich werde ihm alles erzählen, und wenn ich erst als alte Frau wieder aus dem Gefängnis komme. O Gott! Ethan darf nichts passieren. Jetzt ruf schon an!«
    Ich kramte mein Handy hervor.
    Jan streckte die Hand aus und berührte mich vorsichtig am Arm.
    »Wie sollst du mir das je verzeihen?«, sagte sie leise.
    Schweigend klappte ich das Handy auf und rief die Liste mit den eingegangenen Anrufen auf, um Barry Duckworths Nummer zu finden. Doch sobald ich auf Rückruf drückte, drang eine kehlige Stimme an meine Ohren.
    »Das lassen Sie besser.«
    Ich blickte auf. In der Tür zu Ethans Zimmer stand ein Mann, den ich nie zuvor gesehen hatte.
    Ein Mann mit nur einer Hand.

55
    »Legen Sie die Pistole weg«, sagte Oscar Fine.
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