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Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen
Autoren: Linwood Barclay
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erwiderte der Detective.
    Seine Worte beruhigten mich kein bisschen.
    »Sie hat es für Ethan getan«, sagte ich. »Und für mich.«
    »Was meinen Sie?«, fragte Duckworth.
    »Sie wusste, dass er mich auch töten würde. Deshalb hat sie ihr eigenes Leben gegeben. Damit ich für Ethan da sein kann.«
    »Ja, sieht so aus«, sagte Duckworth.
    »Ich dachte, ich würde ihr nie verzeihen können«, sagte ich.
    »Hinterher ist man immer schlauer«, sagte Duckworth.
    Ich senkte den Blick und schwieg.
    Kurze Zeit später trafen Mom und Dad ein. Nachdem sich Mom wieder einigermaßen gefasst hatte, erklärte ich ihnen ebenfalls, was in den letzten drei Tagen geschehen war.
    Besser gesagt, in den letzten sechs Jahren. Und in Wahrheit hatte alles schon viel früher angefangen.
    Mom wischte sich die Tränen von den Wangen. »Aber wo ist Ethan?«, fragte sie schließlich. »Wo kann er bloß sein?«
    Duckworth verabschiedete sich, um mit seinen Kollegen zu reden, während wir ratlos am Küchentisch sitzen blieben.
    Wir waren müde, ausgelaugt, am Ende mit unseren Nerven.
    Und trotz allem trauerte ich um Jan.
    Gegen Mitternacht klingelte plötzlich das Telefon. Ich ging dran.
    »Hallo?«, sagte ich.
    »Mr Harwood?«
    »Ja?«
    »Ich habe etwas Schreckliches getan.«
    ***
    Um drei Uhr morgens war ich endlich dort.
    Zuerst hatte Detective Duckworth versucht, mich zurückzuhalten. Zum einen wollte er nicht, dass ich den Tatort verließ, zum anderen hielt er es für besser, ein paar Kollegen loszuschicken. Schließlich handelte es sich ja um eine Kindesentführung.
    »Na ja, als richtiges Kidnapping würde ich es vielleicht doch nicht bezeichnen«, sagte ich. »Das Ganze ist ziemlich kompliziert. Lassen Sie mich einfach meinen Sohn holen. Ich weiß, wo er ist. Glauben Sie mir, ich kriege das schon hin.«
    Er überlegte kurz und zuckte dann mit den Schultern. »Na schön, fahren Sie. Aber halten Sie sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung.«
    Ich hätte nicht gedacht, dass ich so bald wieder in Rochester sein würde.
    Im Wohnzimmer der Richlers brannte Licht, als ich vor dem Haus in der Lincoln Avenue hielt. Ich musste nicht einmal an die Tür klopfen. Kaum war ich ausgestiegen, stand Gretchen Richler auf der Veranda, um mich hereinzulassen.
    »Kann ich ihn sehen?«, fragte ich.
    Sie nickte, führte mich nach oben und öffnete die Tür zu ihrem Schlafzimmer. Ethan lag auf dem Doppelbett, den Kopf sanft auf ein Kissen gebettet, und schlief.
    »Lassen wir ihn noch ein bisschen schlafen«, sagte ich.
    »Möchten Sie einen Kaffee?«, fragte Gretchen.
    »Gern«, sagte ich, während ich ihr die Treppe hinunter folgte. »Ist Ihr Mann immer noch im Krankenhaus?«
    »Ja«, sagte sie leise. »In der psychiatrischen Abteilung. Er steht vorerst unter Beobachtung.«
    »Was sagen die Ärzte?«
    »Dass wir erst mal abwarten müssen. Vielleicht entlassen sie ihn bald wieder, obwohl …« Sie schüttelte den Kopf. »Er wird das alles wohl nie verwinden.«
    Sie schenkte zwei Tassen Kaffee ein und stellte sie auf den Küchentisch. »Kann ich Ihnen ein paar Plätzchen anbieten?«, fragte sie.
    »Nein, danke«, sagte ich.
    Gretchen Richler nahm mir gegenüber Platz. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich hätte das nicht tun dürfen.«
    Ich blies über den Kaffee und nahm einen Schluck. »Was ist passiert?«
    »Es war wegen dem Foto, das Sie uns hiergelassen haben. Dem Bild von Ihrer Frau. Ich habe die Halskette sofort wiedererkannt. Die Kette mit dem kleinen Muffin aus Gold.«
    »Ja?«
    »Sie gehörte unserer Tochter. Kurz bevor sie starb, hatte sie die Kette verloren. Sie glaubte, Constance hätte sie ihr gestohlen. Und als ich das Bild von Ihrer Frau gesehen habe, wusste ich Bescheid. Plötzlich war mir klar, was damals passiert ist.«
    »Soweit ich weiß, hat sie die Kette nur dieses eine Mal getragen«, erwiderte ich. »Wegen Ethan. Er hatte sie in ihrem Schmuckkästchen entdeckt und wollte sie unbedingt an seiner Mom sehen. Muffins sind für ihn einfach das Größte.«
    Sie schwieg einen Moment. »Als sie das letzte Mal angerufen haben … Ich war völlig durcheinander, nachdem Horace gerade versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Und als Sie sagten, Ihre Frau sei wahrscheinlich noch am Leben, bin ich irgendwie durchgedreht.«
    Ich wartete.
    »Ich war so wütend«, fuhr Gretchen fort. »Auf diese Frau, die meiner Tochter gleich zweimal das Leben genommen hat. Dauernd musste ich daran denken, was sie uns angetan hat. Ich wollte ihr einen Denkzettel
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