Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
um den Türstock spähen wollte, hörte er zwei weitere Schüsse und zuckte zurück.
    Wegen des Echos konnte er nicht feststellen, woher die Schüsse kamen. Er beugte sich noch einmal vor und spähte in den Flur. Dort war es dunkel, und nur aus den Türöffnungen der Zimmer auf der Westseite fiel Licht. Edgar stand in Gefechtshaltung geduckt hinter zwei Streifenpolizisten in Uniform. Sie hatten Bosch den Rücken zugekehrt und ihre Waffen auf eine der offenen Türen gerichtet. Sie waren etwa fünfzehn Meter von Bosch entfernt.
    »Alles klar!«, ertönte eine laute Stimme. »Hier drinnen alles klar!«
    Die Männer auf dein Flur hoben wie auf Kommando die Waffen und bewegten sich auf die Türöffnung zu.
    Bosch rief: »LAPD von hinten!«, und betrat den Flur.
    Edgar blickte sich kurz nach ihm um, als er den zwei Streifenpolizisten in das Zimmer folgte.
    Bosch ging rasch den Flur hinunter und wollte gerade das Zimmer betreten. Im selben Moment kam ein Streifenpolizist heraus, sodass er zurücktreten musste. Der Cop sprach in sein Funkgerät.
    »Zentrale, wir brauchen einen Notarzt in die Highland einundvierzig, zwölfter Stock. Verdächtiger verletzt, Schusswunden.«
    Bosch betrat das Zimmer und blickte sich um. Der Polizist mit dem Funkgerät war Edgewood. Sie sahen sich ganz kurz in die Augen, dann verschwand Edgewood im Dunkel des Flurs. Bosch drehte sich wieder um, um das Zimmer in Augenschein zu nehmen.
    Stokes hockte in einem begehbaren Schrank, der keine Tür mehr hatte. Er lehnte an der Rückwand. Seine Hände lagen in seinem Schoß, und in einer hielt er eine kleine Pistole, eine .25er, eine Taschenrakete. Er trug schwarze Jeans und ein ärmelloses T-Shirt, das voll von seinem eigenen Blut war. Er hatte Eintrittswunden auf der Brust und direkt unter dem linken Auge. Seine Augen waren offen, aber er war eindeutig tot.
    Edgar kauerte vor dem Toten. Er fasste ihn nicht an. Allen war klar, es war überflüssig, nach seinem Puls zu tasten. In Boschs Nase drang der Geruch von verbranntem Kordit, eine willkommene Abwechslung von dem Gestank außerhalb des Zimmers.
    Bosch drehte sich, um sich das ganze Zimmer anzusehen. Es waren zu viele Leute auf so engem Raum: drei Streifenpolizisten, Edgar und ein Zivilbeamter, von dem Bosch annahm, dass er vom Rauschgiftdezernat war. Zwei der uniformierten Cops standen dicht beieinander an der hinteren Wand und untersuchten zwei Einschusslöcher im Putz. Einer hob den Finger und wollte gerade eins der Löcher damit betasten.
    »Finger weg«, fuhr ihn Bosch an. »Nichts anfassen. Gehen Sie bitte alle nach draußen und warten auf den OIS. Wer hat einen Schuss abgegeben?«
    »Das war Edge«, sagte der Zivilbeamte. »Der Typ hat uns im Schrank aufgelauert, und wir –«
    »Entschuldigung, wie heißen Sie?«
    »Phillips.«
    »Okay, Phillips, Ihre Geschichte interessiert mich nicht. Sparen Sie sie sich für den OIS auf. Schnappen Sie sich Edgewood und gehen Sie nach unten und warten dort. Sagen Sie den Rettungssanitätern, wenn sie ankommen, es bringt nichts mehr. Ersparen Sie ihnen den weiten Weg die Treppe rauf.«
    Widerstrebend schlurften die Cops aus dem Zimmer, sodass nur Bosch und Edgar zurückblieben. Edgar stand auf und stellte sich ans Fenster. Bosch ging in die Ecke, die am weitesten vom Schrank entfernt war, und blickte zu dem Toten zurück. Dann ging er auf ihn zu und kauerte an derselben Stelle vor ihm nieder, wo eben noch Edgar gewesen war.
    Er betrachtete die Waffe in Stokes’ Hand. Wenn sie aus der Hand des Toten entfernt würde, würden die OIS-Ermittler vermutlich feststellen, dass die Seriennummer mit Säure weggeätzt worden war.
    Er dachte über die Schüsse nach, die er im Treppenhaus gehört hatte. Zwei und zwei. Es war schwer, sie aus dem Gedächtnis zu beurteilen, vor allem wenn man berücksichtigte, wo er in diesem Moment gestanden hatte. Aber er glaubte, die ersten zwei Schüsse waren lauter und intensiver gewesen als die zweiten zwei. Wenn das stimmte, hatte Stokes seine kleine Spritzpistole erst abgefeuert, nachdem Edgewood mit seiner Dienstwaffe geschossen hatte. Das hieß, Stokes hatte die zwei Schüsse abgegeben, nachdem er in Gesicht und Brust getroffen worden war – nach zwei Treffern, die in Boschs Augen sofort tödlich gewesen sein müssten.
    »Was denkst du?«
    Edgar war hinter ihm stehen geblieben.
    »Was ich denke, ist unwichtig«, sagte Bosch. »Er ist tot. Jetzt ist es ein OIS-Fall.«
    »Vor allem ist es ein abgeschlossener Fall, Partner.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher