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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein
Autoren: Michael Connelly
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er zu uns kam, und deshalb haben wir ihn weiter dorthin geschickt.«
    Bosch nickte und blickte auf seine Notizen hinab. Er hatte alles. Er klappte den Block zu, steckte ihn in seine Jackentasche und stand auf, um zu gehen.

51
    Bosch parkte direkt vor dem Lone Pine Diner. Alle Fenstertische waren besetzt, und fast alle Leute, die dort saßen, sahen auf das LAPD-Auto hinaus, das dreihundert Kilometer von zu Hause weg herumstand.
    Er hatte gewaltigen Hunger, aber zuerst musste er mit Edgar sprechen. Er holte das Handy heraus und rief seinen Partner an. Edgar ging noch während des ersten Läutens dran.
    »Ich bin’s. Hast du den BOLO rausgelassen?«
    »Ja, er ist raus. Bloß ist so was nicht ganz einfach, wenn man nicht weiß, was eigentlich Sache ist, Partner. «
    Er sagte das letzte Wort, als wäre es ein Synonym für Arschloch. Es war ihr letzter gemeinsamer Fall, und es tat Bosch Leid, dass ihre gemeinsame Zeit so zu Ende gehen sollte. Er wusste, es war seine Schuld. Die Gründe, weshalb er Edgar von den Ermittlungen ausgeschlossen hatte, waren nicht einmal ihm selbst klar.
    »Du hast völlig Recht, Jerry«, sagte er. »Das war blöd von mir. Ich wollte den Schwung nicht verlieren, und das hieß, die Nacht durchzufahren.«
    »Ich wäre mitgekommen.«
    »Ich weiß«, log Bosch. »Ich habe nicht nachgedacht. Ich bin einfach losgefahren. Jetzt komme ich zurück.«
    »Na schön, dann fang aber ganz von vorn an, damit ich weiß, was eigentlich in unserem Fall los ist. Ich komme mir hier wie der letzte Idiot vor – einen BOLO rauszulassen und nicht mal zu wissen, warum.«
    »Ich hab dir doch gesagt. Stokes war’s.«
    »Ja, das hast du mir gesagt, aber sonst nichts.«
    Die nächsten zehn Minuten verbrachte Bosch damit, den anderen Gästen beim Essen zuzusehen, während er Edgar seine letzten Schritte erklärte und ihn auf den neusten Stand brachte.
    »Verdammte Scheiße«, fluchte Edgar, als Bosch fertig war. »Und wir hatten den Kerl schon hier.«
    »Tja, um sich darüber noch lang Gedanken zu machen, ist es leider zu spät. Wir müssen ihn uns noch mal schnappen.«
    »Was du also sagen willst, ist: Der Junge hat die Schnauze voll und haut von zu Hause ab und geht zu Stokes. Und der lotst ihn dann in den Wald hoch und bringt ihn einfach um.«
    »Mehr oder weniger.«
    »Warum?«
    »Das ist, was wir ihn fragen müssen. Ich habe aber eine Theorie.«
    »Was, wegen des Skateboards?«
    »Ja, er wollte das Skateboard haben.«
    »Er soll seinen Kumpel wegen eines Skateboards umgebracht haben?«
    »Wir wissen beide, dass dafür schon weniger nötig war, und wir wissen nicht, ob er tatsächlich die Absicht hatte, ihn umzubringen. Das Grab war nicht tief, es wurde mit bloßen Händen ausgehoben. Das sieht nicht nach Vorsatz aus. Vielleicht hat er ihm bloß gedroht und ihn zusammengeschlagen. Vielleicht hat er ihm mit einem Stein eins übergezogen. Vielleicht lief zwischen den beiden auch irgendwas völlig anderes, wovon wir nichts wissen.«
    Edgar sagte ziemlich lange nichts, und Bosch dachte schon, sie wären fertig und er könnte endlich etwas essen.
    »Was hielten die Pflegeeltern von deiner Theorie?«
    Bosch seufzte.
    »Ich habe sie ihnen nicht in vollem Umfang aufgedröselt. Aber sagen wir mal so: Sie waren nicht besonders überrascht, als ich ihnen wegen Stokes Fragen zu stellen begann.«
    »Weißt du was, Harry, eigentlich hätten wir uns die ganze Mühe sparen können, ja, das hätten wir.«
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Dieser ganze Fall. Worauf läuft das Ganze denn am Ende raus? Ein Dreizehnjähriger bringt wegen eines lächerlichen Spielzeugs einen Zwölfjährigen um. Stokes war noch nicht strafmündig, als es passiert ist. Deshalb wird ihn deswegen auch jetzt niemand vor Gericht stellen.«
    Darüber dachte Bosch einen Moment nach.
    »Möglicherweise doch. Das hängt davon ab, was wir aus ihm rauskriegen, wenn wir ihn uns schnappen.«
    »Du hast doch eben selbst gesagt, es gibt nichts, was auf Vorsatz hindeutet. Die erheben keine Anklage, Partner. Glaub mir. Wir sind die ganze Zeit unserem eigenen Schwanz hinterhergerannt. Wir lösen den Fall, aber niemand wandert dafür hinter Gitter.«
    Bosch wusste, dass Edgar wahrscheinlich Recht hatte. Es kam selten vor, dass Erwachsene für Straftaten belangt wurden, die sie mit dreizehn Jahren begangen hatten. Selbst wenn sie Stokes ein umfassendes Geständnis entlocken konnten, würde er wahrscheinlich freikommen.
    »Ich hätte sie ihn erschießen lassen sollen«,
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