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Kein Augenblick zu früh (German Edition)

Kein Augenblick zu früh (German Edition)

Titel: Kein Augenblick zu früh (German Edition)
Autoren: Sarah Alderson
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geladene Pistole einstecke, würden sie sich bestimmt über meine Trainingsmethoden wundern.
    Ich stelle mich vor den Spiegel und betrachte mich kritisch. Vor zwei Tagen habe ich mir die Haare ziemlich kurz trimmen lassen, fast militärisch kurz. Wie wird mich Lila sehen? Wird sie mich und Jack überhaupt noch erkennen? Wir sind nicht mehr die Jungs von damals. Drei Jahre sind vergangen, seit wir uns zum letzten Mal sahen – zwei Jahre hat unsere Ausbildung bei den Marine Special Ops gedauert; seit einem Jahr gehören wir der Einheit an und jagen die Mörder ihrer Mutter. Bin nicht mal sicher, ob ich mich selbst wiedererkennen würde. Nicht nur wegen der Muskeln, die wir uns während der Ausbildung antrainiert haben; auch nicht wegen der Narben oder der Tätowierung auf dem Oberarm. Die Veränderung ist mehr als das. Mehr als nur körperlich.
    Wir sind immer auf der Hut, beobachten unablässig unsere Umgebung, stets in Alarmbereitschaft, vorsichtig, misstrauisch. Geheimnisse sind uns anvertraut worden, wir mussten lernen, andere zu täuschen und zu hintergehen, gleichzeitig aber auch hinter die Masken und Lügen anderer Menschen zu blicken. Inzwischen sind wir äußerst geschickt darin, uns selbst gegenüber den Menschen, die wir lieben – und sogar solchen, die wir vielleicht einmal lieben könnten – zu verschließen und abzuschotten, unsere Gefühle so vollständig auszublenden, dass nicht der leiseste Anschein von innerer Verletzlichkeit durchschimmert. Wir haben gelernt, unser wahres Ich so gut zu verbergen, dass ich mir ernsthaft Sorgen mache, ob ich mein eigenes Ich jemals wiederfinden könnte.
    Immer noch starre ich mein Spiegelbild an. Mein Leben ist kein Leben, über das Lila Bescheid zu wissen braucht. Eines Tages werden wir es ihr erzählen, wenn wir diese Sache zu Ende gebracht, wenn wir den Mörder ihrer Mutter gefangen genommen haben. Einen Teil davon werde ich ihr jedenfalls erzählen. Nicht alles. Die Wahrheit hat nun mal keine runden und sanften, sondern harte, scharfe Kanten. Sie könnten Lila ernsthaft verletzen.
    Jack hat sich auf das Sofa geflegelt und tippt auf meinem iPod herum. Ich unterdrücke ein Grinsen.
    »Was ist das denn?«, fragt er und nickt zu den Boxen hinüber. »Hab ich noch nie gehört.«
    »Öfter mal was Neues«, sage ich ausweichend und lasse mich in den Sessel gegenüber fallen. Er spielt die Hitliste ab, die Lila vor ein paar Wochen zusammengestellt und mir gemailt hat, aber jetzt ihren Namen zu erwähnen, nachdem er sich offenbar gerade wieder ein wenig beruhigt hat, scheint mir keine besonders gute Idee zu sein.
    »Klingt super«, murmelt er vor sich hin.
    »Hast du im Hauptquartier Bescheid gesagt?«, frage ich, um das Thema zu wechseln.
    »Ja, ich hab Sara angerufen. Und dass wir uns ein bisschen verspäten. Aber natürlich müssen wir auch Rachel informieren.«
    Rachel ist unser Boss. »Hab ich schon. Wir sollten aber jetzt los. Rachel sagte, sie hätten wieder neue Aktivitäten aufgezeichnet. Möglicherweise wurde Demos in L. A. gesichtet.«
    Jack hebt ruckartig den Kopf, flucht ausgiebig und schwingt die Beine von der Couch. »Und das sagst du mir erst jetzt? Das beweist doch nur wieder, dass Lila auf keinen Fall kommen darf. Es ist viel zu gefährlich.« Er springt auf.
    Auch ich stehe auf und greife nach dem Schlüssel für mein Motorrad. »Aber sie ist nun mal schon unterwegs, Jack. Es wird schon gut gehen. Wir reden später darüber.«
    Ich halte vor dem Hauptquartier der Einheit an. Es ist zugleich das Westküsten-Hauptquartier von Stirling Enterprises, des Konzerns, der unsere Einheit finanziert, und befindet sich auf dem Gelände der Pendleton Marine Base, einem Stützpunkt des US Marine Corps, nicht weit von San Diego. Die meisten Gebäude auf der Basis sind kleine, klobige, einfache Militäreinrichtungen wie Baracken, Bürohäuser und sogar ein Krankenhaus. Doch dazwischen ragt unser Hauptquartier wie ein funkelndes UFO hervor.
    Der Militärstützpunkt Pendleton ist für Jack und mich eine Art zweite Heimat geworden. Hier haben wir unsere Ausbildung zusammen mit den First Recon Marines absolviert. Als ich das Bike abstelle, brüllt nicht weit entfernt ein Drill Sergeant seine Rekruten an, die sich schwitzend in der Mittagshitze abrackern. Ich will wirklich nicht behaupten, dass ich mich nach der Ausbildungszeit zurücksehne.
    Die meisten der Leute, die in der Einheit arbeiten, sind ausgebildete Marines, zumindest die Soldaten – für die
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