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Kein Augenblick zu früh (German Edition)

Kein Augenblick zu früh (German Edition)

Titel: Kein Augenblick zu früh (German Edition)
Autoren: Sarah Alderson
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Jacks Verwandlung in ein Turteltäubchen dermaßen komisch, dass ich mich darüber schier totlache.
    »Ich schon«, sagt Jack, »aber ich halte die Augen offen – für dich. Höchste Zeit, dass du dich mal wieder mit jemandem einlässt. Bist schon ziemlich lange solo.«
    »Du kennst die Regeln.«
    Natürlich kennt Jack die Verhaltensregeln der Einheit ganz genau. Solche Sachen liest er immer intensiv, um nach irgendwelchen Schlupflöchern zu suchen.
    »Wer sagt denn, dass du gleich eine Lebenspartnerin haben musst?«, grinst er. Wahrscheinlich, weil da von einer Lebenspartnerin die Rede ist und nicht von einer Bettgefährtin.
    Ich verziehe das Gesicht. »Nicht mein Stil, Jack.«
    Dann macht er eine Bemerkung über Rachel und ich versuche, ihn vom Thema abzubringen. »Was steht denn nun in der E-Mail?« Ich deute auf sein iPhone. Er hält es mir hin.
    Überraschung! , steht da. Komme dich in L. A. besuchen. Bin gegen Mittag da. Küsschen, Lila.
    Ich gebe ihm das Handy zurück. »Da ist was passiert«, sage ich.
    »Nicht unbedingt. Das ist schließlich nicht das erste Mal, dass Lila einen ihrer spontanen Einfälle hat. Du kennst doch meine Schwester! Klein, blond, impulsiver als Elektroschocks? Hat das Wörtchen ›nein‹ nicht im Vokabular? Und dazu noch stur wie ein Esel?«
    »Könnte was mit einem Jungen zu tun haben«, murmle ich.
    Jack starrt mich völlig verblüfft an. »Mit einem was? «
    Ich verschlucke mich fast vor Lachen. »Mit einem Jungen. Jack, du weißt, was das ist? Die Spezies mit dem Y-Chromosom? Du scheinst ja nur was für das X-Chromosom übrigzuhaben.«
    »Wovon redest du denn da?«, fragt Jack säuerlich. »Ein Junge? Mann, sie ist doch noch ein Kind!«
    Ich zögere, denn ich frage mich ernsthaft, ob Jack bis heute jemals über die Altersfrage nachgedacht hat. »Sie ist siebzehn. Und kein Kind mehr.«
    Jack wirkt plötzlich, als würde er jeden Augenblick aus Kleidern und Haut fahren. Er springt vom Barhocker. »Wenn irgendeiner auch nur ein Auge auf meine Schwester wirft, bringe ich ihn um.«
    Ich schüttle stumm den Kopf, während ich an all die Mädchen denke, auf die Jack mehr als nur ein Auge geworfen hat. Arme Lila! Wenn sie jemals auch nur ein halbwegs normales Leben führen will, eines ohne nonnenhaftes Keuschheitsgelübde, sollte sie besser in London bleiben.
    Allmählich beruhigt er sich wieder. »Und du glaubst, das könnte der Grund sein?«, fragt er und verzieht das Gesicht.
    »Nur so ein Gedanke«, wiegle ich ab, weil ich seine Wut nicht noch einmal neu anfachen will. Mir fällt ein, dass Lila früher mal in mich verknallt war – damals war sie vielleicht sieben oder so. Sie steckte mir eine selbst gemalte Valentinskarte in die Schultasche. Ich hatte die Tasche im Flur ihres Elternhauses abgestellt, deshalb kamen nur zwei als Täter in Frage, sie und Jack. Handgemalte rosa Herzchen und kleine Pferdchen waren schon damals nicht Jacks Ding, also blieb nur Lila als Urheberin übrig. Das hab ich ihr nie erzählt, weil es ihr bestimmt peinlich gewesen wäre, aber wenn ich ehrlich bin, war ich auch nicht sicher, wie Jack reagiert hätte.
    »Wann hast du eigentlich zuletzt mit ihr telefoniert?«, frage ich.
    »Vor ein paar Wochen. Damals schien alles okay mit ihr.«
    »Mir kam sie ein bisschen niedergeschlagen vor.«
    Jack richtet sich auf. »Du hast mit ihr telefoniert?«
    Verdammt. Ich beiße mir auf die Zunge. »Nein, aber vor ein paar Tagen schickte sie mir eine E-Mail«, antworte ich vorsichtig. »Geh sanft mit ihr um, Jack, okay? Sie hat eine Menge mitgemacht.«
    Jack schüttelt wütend den Kopf. »Sie kann nicht einfach aus heiterem Himmel hier hereinflattern. Ich schicke sie auf der Stelle nach London zurück.«
    »Das kannst du nicht machen, Jack. Lass sie wenigstens ein paar Tage hier bleiben – eine Woche vielleicht. Das bist du ihr schuldig.«
    Ich erinnere mich an das letzte Mal, als sie in den Staaten war – und besonders kommt mir unser Basketballspiel wieder in Erinnerung. Lila wirkte verloren und völlig verängstigt. Aber Jack und ich achteten überhaupt nicht auf sie. Wir hatten nur eins im Sinn – uns der Einheit anzuschließen – und überlegten keine Sekunde lang, wie Lila sich bei dieser Sache fühlen würde. Meine Erinnerungen gleiten weiter zurück, an die Beerdigung. Lila hatte gerade ihre Mutter verloren; jetzt brauchte sie vor allem einen Menschen: Jack. Aber Jack hatte durchgedreht und war verschwunden. Ich blieb bei ihr, zum Teil deshalb, weil
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