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Kay Scarpetta 16: Scarpetta

Titel: Kay Scarpetta 16: Scarpetta
Autoren: Patricia Cornwell
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lesen.« Er ballte seine rechte Hand zu einer Faust, und nach einem Moment der Stille setzte er erschöpft hinzu: »Ich bin müde. Ich habe mir die ganze Nacht wegen eines Menschen um die Ohren geschlagen, von dem ich dir nichts erzählen darf, der uns aber noch eine Menge Probleme machen wird.«
      Er hörte auf, aus dem Fenster zu schauen, und starrte ins Leere.
      »Jetzt kommen wir allmählich weiter«, meinte Dr. Thomas. »Ich habe mich schon gefragt, wann du endlich aufhörst, dich wie ein Heiliger zu gebärden. Du bist nämlich stinksauer, und ein Heiliger bist du erst recht nicht.« »Stinksauer, ja, das trifft es, ich bin stinksauer.« »Auf sie.«
      »Ja, stimmt«, erwiderte Benton, und es machte ihm Angst, das zuzugeben. »Ich weiß, dass es ungerecht ist. Mein Gott, schließlich ist sie es, die verletzt wurde. Ihr halbes Leben hat sie mit ihm zusammengearbeitet. Warum also sollte sie ihn nicht hereinlassen, als er betrunken und völlig verzweifelt war? Immerhin waren sie befreundet. Selbst wenn sie gewusst hätte, was er für sie empfand, war es nicht ihre Schuld.«
      »Er hat sie seit ihrer ersten Begegnung sexuell begehrt«, stellte Dr. Thomas fest. »So wie du auch. Er hat sich in sie verliebt. Genau wie du. Ich bin neugierig, wer sich zuerst in sie verliebt hat. Ihr habt euch doch ungefähr um dieselbe Zeit kennen gelernt. Das muss 1990 gewesen sein, oder?«
      »Dass er sie begehrt hat, nun, das ging schon seit einer geraumen Weile so. Seine Gefühle und der Umstand, dass sie ihnen immer ausgewichen ist und sich so große Mühe gegeben hat, ihn nicht zu kränken. Ich kann hier sitzen und daran herumanalysieren, so lange ich will. Aber was bringt das?«
      Wieder blickte Benton aus dem Fenster und sprach mit der Backsteinmauer.
      »Sie konnte sich nicht anders verhalten«, fuhr er fort. »Was er ihr angetan hat, war absolut nicht ihre Schuld. Eigentlich auch nicht seine. In nüchternem Zustand hätte er so etwas nie getan. Niemals.«
      »Du klingst, als wärst du dir deiner Sache sicher«, erwiderte Dr. Thomas.
      Benton wandte sich vom Fenster ab und betrachtete seinen Computerbildschirm. Dann drehte er sich wieder zum Fenster um, als könnte der stahlgraue Himmel ihm eine Botschaft vermitteln. Er entfernte die Büroklammer von einem Zeitschriftenartikel, den er gerade überarbeitete, und stieß die Seiten zornig auf.
      »Wie konnte ausgerechnet ich so unvernünftig sein?«, fragte er. »So realitätsfern? Denn genau das war ich. Vom ersten Tag an. Und jetzt muss ich dafür büßen.«
    »Meinst du, du musst dafür büßen, weil nun andere Leute wissen, was dein Freund Pete Marino mit ihr gemacht hat?« »Er ist nicht mein Freund.«
      »Ich dachte, er wäre es. Und ich bin davon ausgegangen, dass du ihn auch für einen Freund gehalten hast«, wandte Dr. Thomas ein.
      »Wir sind nie zusammen einen trinken gegangen. Wir haben keine gemeinsamen Interessen. Bowling, Angeln, Motorräder, Football im Fernsehen, Bier. Okay, kein Bier mehr. Das ist Marinos Lebensinhalt. Nicht meiner. Wenn ich mich recht entsinne, bin ich kein einziges Mal allein mit ihm in einem Restaurant gewesen. In all den zwanzig Jahren nicht. Wir haben keine Gemeinsamkeiten und werden auch nie welche haben.«
      »Er stammt also nicht aus einer alteingesessenen, einflussreichen Neuengland-Familie? Er hat nicht studiert? Er war nie Profiler beim FBI? Er gehörte nicht der Medizinischen Fakultät von Harvard an? Ist es das, was du meinst?«
    »Ich möchte nicht dünkelhaft sein«, erwiderte Benton.
      »Es sieht ganz danach aus, als ob eure Gemeinsamkeit Kay hieße.«
      »Nicht auf diese Weise. So weit ist es nie gekommen«, entgegnete Benton.
    »Wie weit hätte es denn kommen sollen?«
      »Sie hat mir gesagt, er wäre nicht bis zum Äußersten gegangen, sondern hätte andere Sachen mit ihr gemacht. Als sie sich endlich vor mir auszog, habe ich die Spuren gesehen. Ein oder zwei Tage lang hat sie sich in Ausreden geflüchtet. Sie hat mich angelogen. Dabei wusste ich genau, dass ihr nicht der verdammte Kofferraumdeckel auf die Handgelenke gefallen ist.«
      Benton erinnerte sich an die Blutergüsse, so dunkel wie Gewitterwolken und genau in der Form, als hätte ihr jemand die Hände hinter dem Rücken fest gehalten und sie an die Wand gedrückt. Als Benton schließlich ihre Brüste zu Gesicht bekam, war sie ihm die Erklärung schuldig geblieben. Noch nie hatte ihr jemand so etwas angetan. Er selbst kannte so einen
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