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Kay Scarpetta 16: Scarpetta

Titel: Kay Scarpetta 16: Scarpetta
Autoren: Patricia Cornwell
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Lucys Rechner gaben tatsächlich Alarmsignale von sich, wenn eine Suchmaschine auf etwas Wissenswertes stieß.
      »Offen gestanden war es um Mitternacht. Als das verdammte Ding ins Netz gestellt wurde«, erwiderte er.
    »Aber sie hat Kay nicht informiert.«
      »Zum Glück nicht. Und sie hat sofort eingelenkt, als ich sagte, ich würde das erledigen.«
      »Was du nicht getan hast«, wandte Dr. Thomas ein. »Also wieder zurück zum Anfang. Du hast heute Morgen mit Kay telefoniert, und zwar zu einem Zeitpunkt, als du schon seit mehreren Stunden über die Website Bescheid wusstest. Und dennoch hast du geschwiegen. Ich glaube, dir geht es nicht darum, es ihr persönlich zu sagen. Und deshalb ist die Wahrscheinlichkeit leider groß, dass sie es von jemand anderem erfährt - wenn es nicht sogar schon geschehen ist.«
      Benton atmete tief und ruhig durch. Dann presste er die Lippen zusammen und fragte sich, wann genau sein Selbstvertrauen nachgelassen hatte, die Fähigkeit, seine Umwelt zu deuten und sich dementsprechend zu verhalten. Denn bisher hatte er das Talent besessen, sein Gegenüber auf den ersten Blick oder nach wenigen Worten einzuschätzen. Scarpetta nannte das seinen Partytrick. Er lernte jemanden kennen, schnappte ein paar Gesprächsfetzen auf, und schon war er im Bilde. Es kam nur selten vor, dass er sich irrte.
      Diesmal jedoch war ihm die Gefahr vor der eigenen Tür völlig entgangen, und er verstand noch immer nicht, wie er nur so begriffsstutzig hatte sein können. Jahrelang hatte er miterlebt, wie sich Wut und Enttäuschung in Pete Marino aufstauten. Er hatte genau gewusst, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Marinos Selbsthass und Zorn überkochten. Doch Benton hatte es nie wirklich ernst genommen, Marino unterschätzt und völlig vergessen, dass der Mann auch einen Schwanz hatte - bevor dieser zu einer Waffe geworden war.
    Rückblickend betrachtet ergab das alles keinen Sinn.
    Schließlich waren Marinos aufgesetzter Machismo und seine Stimmungsschwankungen nicht zu übersehen gewesen, und Benton verdiente immerhin seine Brötchen mit Leuten dieses Kalibers. Sexuelle Gewalt, ganz gleich, was auch immer der Auslöser dafür sein mochte, garantierte, dass ein forensischer Psychologe nie arbeitslos wurde.
      »Ich kriege Mordgelüste, wenn ich an ihn denke«, gestand Benton Dr. Thomas. »Natürlich würde ich ihn nie umbringen. Es sind nur Phantasien. Überhaupt grüble ich in letzter Zeit eine Menge. Ich habe lange geglaubt, ich hätte ihm verziehen, und war wirklich stolz auf mich, weil ich die Situation so souverän gemeistert habe. Wo wäre er jetzt ohne mich? Ich habe viel für ihn getan, und jetzt würde ich ihn am liebsten umbringen. Lucy geht es nicht anders. Heute Morgen an den Vorfall erinnert zu werden hat die Sache nicht besser gemacht. Und jetzt weiß die ganze Welt Bescheid. Es ist, als wäre es ein zweites Mal geschehen.«
    »Vielleicht empfindest du es erst jetzt als real.«
      »Oh, als real habe ich es immer empfunden«, widersprach Benton.
      »Aber es ist etwas anderes, wenn man es im Internet sieht und weiß, dass eine Million Leute sich dieselben Bilder anschauen. Es gibt der Wirklichkeit eine andere Dimension. Endlich zeigst du Emotionen. Davor hast du nur deinen Verstand benutzt und den Vorfall rational verarbeitet, um dich selbst zu schützen. Ich denke, das ist ein Durchbruch, Benton. Allerdings ein nicht sehr angenehmer. Tut mir leid.«
      »Er weiß nicht, dass Lucy in New York ist. Wenn er ihr über den Weg läuft ... « Benton unterbrach sich. »Nein, sie würde ihn niemals töten, denn diese Phase hat sie hinter sich. Schon lange. Sie würde ihm nichts tun, glaub mir.«
      Benton beobachtete, wie der graue Himmel den roten Farbton der alten Backsteinmauer vor seinem Fenster leicht verdunkelte. Als er sich in seinem Stuhl umdrehte und am Kinn kratzte, stieg ihm sein eigener männlicher Geruch in die Nase, und er spürte die Bartstoppeln, die für Scarpetta wie Sand aussahen. Er war schon die ganze Nacht auf den Beinen und hatte das Krankenhaus nicht verlassen. Er musste dringend duschen, sich rasieren, etwas essen und dann schlafen.
      »Der einzige Mensch, der nie Mordgelüste gegen Marino gehegt hat, ist Kay. Sie sucht die Schuld immer noch bei sich, was mich wütend macht. Unbeschreiblich wütend. Also weiche ich dem Thema aus, was wahrscheinlich auch der Grund ist, warum ich geschwiegen habe. Und die ganze gottverdammte Welt kann es jetzt im Internet
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