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Kay Scarpetta 16: Scarpetta

Titel: Kay Scarpetta 16: Scarpetta
Autoren: Patricia Cornwell
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drohenden Tonfall, den sie immer anschlug, wenn er endlich den Mund halten und ihre Frage beantworten sollte. »Worum geht es?«
      »Diese widerliche Klatschkolumne im Internet. Gotham Gotcha.«
      Scarpetta hatte in New York Werbung dafür auf Bussen und Taxis gesehen. Der anonyme Verfasser war als böswillig verschrien. Die ganze Stadt rätselte, wer wohl dahinter stecken mochte. Ein Niemand oder ein Journalist mit Pulitzer-Preis, der einen Heidenspaß daran hatte, sich als Giftspritze etwas dazuzuverdienen?
      »Wirklich gemein«, fuhr Bryce fort. »Klar, ich weiß, dass das Sinn und Zweck der Übung ist, aber diesmal geht es unter die Gürtellinie. Nicht, dass ich mir sonst solchen Schund anschauen würde. Doch ich gebe Ihren Namen immer mal wieder bei Google ein, und das springt jetzt als Erstes raus. Das Foto ist das Schlimmste daran. Es ist wirklich nicht sehr schmeichelhaft. «
     
    2
    Benton lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und betrachtete im fahlen Winterlicht die hässliche Backsteinmauer.
      »Du hörst dich an, als wärst du erkältet«, sagte er ins Telefon.
      »Ich bin heute nicht ganz auf dem Damm. Deshalb habe ich mich auch nicht schon früher bei dir gemeldet. Frag mich nicht, was wir gestern getan haben, um das zu verdienen. Gerald will gar nicht mehr raus aus dem Bett. Und das meine ich nicht im positiven Sinne«, antwortete Dr. Thomas.
      Dr. Thomas war eine Kollegin aus dem McLean und Bentons Psychiaterin. Daran war nichts Ungewöhnliches. Wie Dr. Thomas, die in einem Bergwerksstädtchen im westlichen Virginia aufgewachsen war, zu sagen pflegte, gab es in Krankenhäusern nicht weniger Inzucht als unter den Hinterwäldlern in der Provinz. Die Ärzte behandelten sich gegenseitig und ihre Familien und Freunde. Sie verordneten einander und ihren Familien und Freunden Medikamente. Sie gingen miteinander ins Bett - wenn auch hoffentlich nicht mit ihren Familien und Freunden. Hin und wieder heirateten sie sogar. Dr. Thomas hatte den Radiologen aus dem McLean Hospital geehelicht, der Scarpettas Nichte Lucy in dem Labor für Magnetresonanz-Computertomographie untersucht hatte, in dessen Flügel sich auch Bentons Büro befand. Dr. Thomas wusste deshalb ziemlich genau, was Benton so trieb. Sie war die Erste, die ihm eingefallen war, als er vor einigen Monaten erkannt hatte, dass er mit jemandem sprechen musste.
      »Hast du die Links schon geöffnet, die ich dir gemailt habe?«, erkundigte sich Benton.
      »Ja, und meine Frage lautet, um wen du dir größere Sorgen machst. Ich glaube, die Antwort ist: um dich selbst. Was meinst du?«
      »Ich fürchte, das wäre ausgesprochen egoistisch von mir«, erwiderte Benton.
      »Es ist ganz normal, dass du dich wie ein Hahnrei fühlst«, entgegnete sie.
      »Ich hatte ganz vergessen, dass du im früheren Leben Shakespeare-Darstellerin warst«, gab Benton zurück. »Den Begriff Hahnrei habe ich schon lange nicht mehr gehört. Aber damit liegst du falsch. Kay ist nicht einem anderen Mann in die Arme gesunken, sondern es war Gewalt im Spiel. Wenn ich mich betrogen hätte fühlen sollen, dann damals, als es passiert ist. Aber ich habe mir viel zu große Sorgen um sie gemacht.«
      »Ich möchte nur anmerken, dass es damals ohne Zeugen geschehen ist«, wandte Dr. Thomas ein. »Vielleicht wird es realer, bedrohlicher, wenn alle davon erfahren? Hast du ihr erzählt, was im Internet im Umlauf ist? Oder hat sie es schon selbst gesehen?«
    »Ich habe nichts gesagt, und gesehen hat sie es sicher nicht.
    Dann hätte sie mich bestimmt angerufen, um mich zu warnen. So ist sie nämlich.«
    »Warum hast du es ihr verschwiegen?«
    »Es war der falsche Zeitpunkt«, entgegnete Benton. »Für dich oder für sie?«
      »Sie war gerade im Autopsiesaal«, erklärte Benton. »Ich wollte es ihr unter vier Augen mitteilen.«
      »Lass uns alles noch einmal durchgehen, Benton. Du hast, wie ich annehme, bei Tagesanbruch mit ihr telefoniert. Das tut ihr doch immer, wenn ihr getrennt seid.«
    »Ja, sehr früh heute Morgen.«
      »Und als du heute Morgen mit ihr gesprochen hast, kanntest du die Internetseite bereits, weil Lucy dich angerufen hatte, oder?«, sagte Dr. Thomas. »Und zwar um ein Uhr nachts, da deine hypomanische angeheiratete Nichte akustische Warnsignale in ihren Computer einprogrammiert hat, die sie aufwecken wie einen Feuerwehrmann auf Bereitschaft, sobald eine ihrer Suchmaschinen etwas Wichtiges im Netz findet.«
      Dr. Thomas scherzte nicht.
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